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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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und Kassensanierungen im Dienst
     eines motivierenden kollektiven Projekts. Der Horizont der Arbeitsgesellschaft wäre hinausgeschoben, nicht durchbrochen; dazu
     bedürfte es schon einer »Revolution im guten Sinn«.
    Davon sind wir in Deutschland derzeit weiter denn je entfernt. Unsere »Reformer« messen mit stierem Blick auf die soziale
     Hierarchie jedem das Seine zu: Lastenabschüttelung für die Reichen, Sparprogramme für den Rest. Dabei wissen sie nicht einmal
     klug zu sparen. Das neue soziale Minimum, das »Arbeitslosengeld II«, bestraft Ehen und eheähnliche Partnerschaften, indem
     es Einkommen des arbeitenden Teils auf die Bezüge des jeweils Empfangsberechtigten anrechnet. Wer mit einem auch nur durchschnittlich
     verdienenden Partner zusammenlebt, hat »Pech«, geht leer aus, greift in seiner Not nach dessen Geld. Selbst die Sparguthaben
     der Kinder geraten unter diese Knute. So beugt man Zuneigung und Liebe unter persönliche Abhängigkeitsverhältnisse, kurzfristig.
     Auf längere Frist entmutigt man den festen Bindungswunsch, fördert die Zunahme rechtlich unverbindlicher Allianzen. Verläßliche
     familiäre Verhältnisse, Kinderwunsch und Kindersegen: Formeln für die Galerie, zum Fenster hinausgesprochen; die Familie der
     Zukunft: eine Kalkulationsmaschine. 282 Verjage, Trygaios, das bigotte Personal aus seiner Festung!

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    |267| Politische Chirurgie oder Gleichheit als Geschwür der Gerechtigkeit
    § 35 Chancen
    1. »Die Lehre von der Gleichheit! … Aber es giebt gar kein giftigeres Gift: denn sie SCHEINT von der Gerechtigkeit selbst
     gepredigt, während sie das ENDE der Gerechtigkeit ist
    … ›Den Gleichen Gleiches, den Ungleichen Ungleiches – DAS wäre die wahre Rede der Gerechtigkeit: und, was daraus folgt, Ungleiches
     niemals gleich machen.‹« 283
    2. Neokonservative, Neoliberale, Neosozialdemokraten verstehen sich als Operateure am sozialen Körper. Ihre gemeinsame Diagnose:
     Wohlfahrtsstaat, ausgabenökonomisch entgleist; schweres Gerechtigkeitssyndrom. Behandlungsplan: Gerechtigkeit von den Wucherungen
     der Gleichheit befreien; harte, schmerzhafte Schnitte. Einverständniserklärung des Patienten: überflüssig. Anästhetikum, schwach
     wirkend: Chancen für morgen.
    3. » Chance die; –, -n: 1. Günstige Gelegenheit, Möglichkeit, etwas Bestimmtes zu erreichen. 2. Aussicht
     auf Erfolg« 284 ;
» meist Plur.
: Aussichten auf Erfolg« 285 .
    4. Der Verweis der deutschen Rechtschreibung auf den Plural ist wesentlich. »Er/sie hatte seine/ihre Chance« heißt: jede(r)
     darf das Glück EIN MAL versuchen; Abtreibung des Lernens aus dem menschlichen Leben, Standpunkt der Inhumanität. Daher: Gebrauch
     der Mehrzahl, »meist«, denn gänzlich ausgestorben sind die reinen Sozialdarwinisten nicht. »Er/sie verdient eine zweite Chance«
     mischt in die Ermunterung unüberhörbar eine Drohung: »Es wird die letzte sein!«; Lernprozesse mit der Angst im Genick, Sozialdarwinismus
     mit humaner Fratze, Jargon der Gangster.
    5. In den handelsüblichen Begriff der Chance ist ein Zählwerk eingebaut. Es numeriert Gelegenheiten und ordnet |268| sie: erkannte, ergriffene, übersehene, verspielte; modale Freiheit, opportunes Leben:
2, 3, 50, 100 … Strikes, and you are out.
Wer von Chance, Chancen spricht, spricht vom sozialen Sportsgeist. Das gilt auch für die ChancenGLEICHHEIT, den Köder der
     »schmerzhaften Reform«.
    6. Einheitsdenken, Einheitshandeln im politischen Raum, im Raum aller realistisch denkbaren politischen Konstellationen und
     Koalitionen auf gesamtstaatlicher Ebene, in Deutschland, fast überall in der Welt. Politische Chirurgen, allerorten; in der
     gemeinsamen Absicht, den Patienten von der Notwendigkeit der Operation zu überzeugen, suchen sie Zuflucht bei der Propaganda.
     Die hat seit je zwei Hauptregister, Vereinfachen und Wiederholen und einen Lieblingsmodus – Bilder. Das am häufigsten verwendete:
     das Leben als Rennen, der Mensch als Läufer. Gesellschaftliche Ordnungen genügen der Gerechtigkeit, wenn sie die Gleichheit
     aller am Start garantieren, und sie entarten, wenn sie Gleichheit fordern auch im Ziel.
    Begeben wir uns also an den Start. – Wo aber geht das Rennen los und wann? Gleich mit der Geburt? Aber da stehen wir auf allzu
     schwachen Beinen. Mit dem Eintritt in die Schule, in die Welt der persönlichen Bewährungen, der Tests, Prüfungen und Noten?
     Nur so kann es gemeint sein. – Was aber sichert die

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