Buffy - 22 - Spike & Dru
Frankreich
21. Mai
Im dunklen, ausgebrannten Wrack eines französischen Truppentransporters
kauerte die Jägerin und starrte die jungen Soldaten an, die sich knapp
fünfzig Meter entfernt auf einem Panzer ausruhten. Der deutsche Panzer war
ein massiges Metallmonstrum mit geschlossenen Sichtluken, einem
genieteten Stahlgesicht und einer leichten Turmkanone, deren kurzer Lauf
ihm eine Aura zusätzlicher Brutalität verlieh. Doch mit dem Quartett
grimmiger Kindersoldaten, die auf dem Turm saßen oder an den Ketten
lehnten und vor sich hin qualmten, wirkte die Szene fast absurd.
Sie sind nicht älter als ich, dachte Sophie. Oder wenigstens nicht viel
älter.
Dieser Gedanke kam ihr nicht zum ersten Mal, schockierte sie aber immer
wieder. Mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit war die deutsche
Armee ins Zentrum von Frankreich vorgestoßen. Norden und Süden waren
jetzt getrennt, und die Nazi-Soldaten rückten auf beiden Seiten der Front
weiter vor. Hier im Süden war es den Franzosen gelungen, sie an der
Somme aufzuhalten, aber nur zeitweilig. Die Deutschen hatten den Fluss
überquert und die Front weiter nach Süden verschoben. Immer mehr
französischer Boden ging verloren.
Sophie konnte es sich nicht leisten, tagsüber gesehen zu werden, von
niemandem. Ob nun Franzosen oder Deutsche, die Soldaten würden nicht
dulden, dass sich ein Mädchen an der Front herumtrieb. Doch in der Nacht
konnte sie durch die sich umgruppierenden Truppen schleichen. Und das
war auch nötig, um zu den Toten und Sterbenden zu gelangen. Denn dort
trieben sich die Aasfresser herum, Vampire, die nach Einbruch der
Dunkelheit auf den Schlachtfeldern lauerten wie Walküren, die die Seelen
der gefallenen Krieger einsammelten.
Im Moment hatten sie und Yanna einen sicheren Ort nördlich des Flusses
gefunden, einen Ort, der vom Krieg nur wenig verwüstet worden war. Sie
wollte lieber auf der französischen Seite der Front als auf der deutschen
sein, aber bald würde es wohl keine französische Seite mehr geben. Selbst
mit ihren Verbündeten aus Britannien und anderen Ländern verloren die
Franzosen zu schnell an Boden, um noch Hoffnung auf den Sieg zu haben.
Sophie sagte sich, dass sie für einen anderen Krieg gekommen war. Aber
sie hatte Probleme, sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren.
Bis die ersten Vampire auftauchten.
Regungslos verharrte die Jägerin im Wrack des Fahrzeugs. Der Mond war
eine helle Sichel am Himmel, und die Sterne funkelten wie Juwelen. Was für
ein Anblick, dachte sie. Aber jene, die am Boden Vorbereitungen für
weitere Metzeleien trafen, wussten diesen Anblick nicht zu schätzen – die
Mörder auf beiden Seiten, Nazis, Alliierte, und die anderen natürlich. Die
Vampire.
Das Licht vom Himmel war nicht besonders hell, aber es reichte aus, um
die Jägerin die fünf – nein sechs – Aasgeier erkennen zu lassen, die langsam
den Panzer einkreisten, sich geschickt im Schatten hielten und zwischen den
Metallwracks und den frischen menschlichen Toten herumschlichen. Diese
Aasgeier hatten wahrscheinlich nach Sterbenden auf dem Schlachtfeld
gesucht, nach jungen Männern, die auf dem Boden Frankreichs verbluteten
oder an den Ufern der Somme lagen, während ihr rotes Leben langsam ins
Wasser strömte. Die Panzerbesatzung hatte mit ihrem Schwatzen und
Rauchen die falsche Art von Aufmerksamkeit erregt.
Genau wie Sophie erwartet hatte.
Wie sie gehofft hatte.
Sie waren Köder.
Die Aasgeier waren schnell. Einer der Soldaten war tot, bevor die anderen
überhaupt realisierten, dass sie angegriffen wurden. Einer schrie kurz auf,
als sein Kopf nach hinten gerissen und die Kehle entblößt wurde. Er griff
nach seiner Waffe, während Sophie über den aufgewühlten Streifen Erde
zwischen ihnen stürmte, bewaffnet mit einem Pflock. Ihre langen Beine in
der britischen Armeehose flogen.
Die Holzspitze bohrte sich mit einem befriedigend dumpfen Laut in den
Brustkorb des Vampirs. Das Monster explodierte in einer Aschenwolke, und
noch ehe sie vom Wind davongetragen wurde, war schon der nächste
Aasgeier zu Staub zerfallen.
Sophie wütete schnell und tödlich, doch alle vier Mitglieder der
Panzerbesatzung waren tot, bevor der letzte Vampir eliminiert worden war.
Grimmig blickte Sophie auf die toten jungen Männer hinunter, vier
weitere von vielen, die in den letzten Tagen gefallen waren, und unzählige
mehr würden ihnen folgen. Nicht viel älter als ich, kam ihr wieder in
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