Buffy - 22 - Spike & Dru
geankert. Yachten und Fischerboote umschwirrten sie wie
Fliegen und transportierten Männer von der Küste an Bord.
Frankreich war verloren. Die Deutschen hatten es in Windeseile erobert.
Erbittert hatten das britische Expeditionskorps und die regulären
Armeesoldaten gekämpft, doch jetzt waren sie zum Rückzug gezwungen.
Dünkirchen war die letzte Bastion in Frankreich, an der Hunderttausende
von Kämpfern Widerstand gegen den Blitzkrieg leisteten. Obwohl die
meisten kämpfenden Männer es nicht wussten, evakuierten die Briten ihre
Truppen, ohne ihre französischen Verbündeten informiert zu haben. Das war
bitter, ging aber nicht anders. Über eine Viertelmillion alliierter Soldaten
wartete in Dünkirchen auf den Transport über den Kanal. Wenn es auch nur
einen Funken Hoffnung gab, sich von den erstaunlichen deutschen Siegen zu
erholen und den Kontinent zurückzuerobern, dann durften diese Männer
nicht geopfert werden.
An die gesamte Südostküste Englands war der Aufruf ergangen. Jedes
noch so kleine Boot wurde gebraucht, um die britischen und französischen
Kämpfer über den Kanal oder von der Küste bei Dünkirchen zu den
größeren Schiffen zu evakuieren. Der Ansturm war überwältigend. Tief in
der Nacht warteten Männer zu Tausenden an der Küste, dass sie an die
Reihe kamen. Vereinzelt gab es Fälle von Gewalt und ehrlosem Benehmen,
aber die meisten warteten mit grimmiger Entschlossenheit.
Man hatte einen Plan. Winston Churchill, der neue Premierminister,
würde nicht zulassen, dass dies das Ende des Krieges war. Die Schlacht um
Frankreich war verloren, aber als Nation war Großbritannien entschlossen,
den Kampf fortzusetzen. Zu Hunderten schwammen die Männer durch das
Wasser zu den Schiffen, sie trieben auf Stühlen, Brettern und Treibgut auf
den Wellen. Alle in dem Wissen, dass dies nicht das Ende war.
Sie würden zurückkehren.
Zumindest war dies die feste Überzeugung des Kapitäns der Seaspray.
Ned Jude war sein Name. Er hatte gerade mit seinem Schiff die
Austernbänke bei Burnham-on-Crouch in Essex abgeerntet, als die
Nachricht kam. Old Ned hatte seine Arbeit abgebrochen, aufgetankt und so
schnell er konnte den Kanal überquert. In einem halben Tag hatte er jeweils
ein Dutzend Männer über das Wasser nach England und damit in Sicherheit
gebracht. Doch auf der letzten Fahrt hatte einer der Soldaten die Idee
gehabt, das relativ kleine Schiff dazu zu benutzen, die Männer an der Küste
abzuholen und zu einem der Navy-Schiffe zu bringen.
»Ich kam mir wie ein verdammter Idiot vor, William, das kann ich Ihnen
sagen. Der Vorschlag war einfach genial, und ich hätte schon viel eher drauf
kommen müssen.«
Diese Bemerkung hörte Spike jetzt schon das fünfte Mal, aber er nickte
dem Mann ernst zu, als würde er den alten Austernfischer für seine
Aufrichtigkeit und seinen Einsatz loben; als würde es ihn kümmern. Und in
einem stillen Moment gestand er sich ein, dass es ihn tatsächlich kümmerte.
Ihm ging es nicht um die Menschen, natürlich nicht. Er war schließlich ein
Vampir, und das Verhalten von Menschen, die nicht seine Opfer waren,
interessierte ihn nicht. Aber in ihm war ein Rest von Menschlichkeit, und
der plagte ihn wie ein Phantomschmerz. Die Vorstellung, dass die
Deutschen tatsächlich das Britische Empire besiegen würden, ließ ihn mit
den Zähnen knirschen, bis er sich in Erinnerung rief, dass ihm derartige
Dinge egal sein sollten.
Spike zog schweigend an seiner Zigarette und blickte in das aufgewühlte
Wasser vor ihm, während sie sich der Küste von Dünkirchen näherten.
Überall Menschen. Eine Bande von Narren ruderte ein kleines Boot in
tieferes Wasser und erschlug dabei fast ein paar der Männer, die in der
Brandung schwammen oder vor sich hin trieben.
»Was für ein verdammtes Affentheater«, flüsterte er.
»Sicher«, stimmte Ned Jude zu. »Aber wir alle müssen unsere Rollen
spielen, eh?«
»Oh, aye«, erwiderte Spike, überrascht, dass der alte Skipper ihn gehört
hatte.
»Wissen Sie«, sagte Ned, »ich will Ihnen ja nicht vorschreiben, was Sie
tun sollen, Junge, aber dieses Mädchen an Land zu bringen ...«
Der rotgesichtige Seemann schüttelte den Kopf und kratzte sich die
weißen Stoppeln an seinen Wangen. Er brauchte nichts hinzuzufügen.
»Die Entscheidung liegt nicht bei mir, Ned. Drei Brüder von ihr sind in
Rotterdam gefangen genommen worden, und sie ist fest entschlossen, sie zu
befreien. Sie glaubt, dass
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