Buffy - 22 - Spike & Dru
die Deutschen Mitleid mit ihr und ihrer alten Mum
haben, weil sie jetzt ohne Männer dastehen. Wir werden wahrscheinlich
sterben, aber keiner von uns könnte ihrer Mum unter die Augen treten, wenn
wir es nicht wenigstens versuchen.«
Ned Jude blickte skeptisch drein.
»Wir müssen es versuchen, alter Freund.«
Der Skipper sagte nichts, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Hätte
die Geschichte gestimmt, sinnierte Spike, hätte der alte Mann
wahrscheinlich Recht gehabt mit seiner Warnung.
Sollen sie ruhig schießen, dachte er vergnügt.
Drusilla kam aus der Kabine und trat schweigend an seine Seite. Das
elegante blaue Kleid unter ihrem schweren Mantel deutete auf ihre
aristokratische Herkunft hin und flößte den Seeleuten großen Respekt ein.
Zum ersten Mal war ihr Gesicht grimmig und düster. Kein verschmitztes
Lächeln, kein Schmollmund. Schweigend beobachtete sie den Exodus an der
Küste. Spike für seinen Teil fragte sich, warum er eine solch aufwändige
Geschichte erfunden hatte. Er zog die Möglichkeit in Betracht, dass er
vermeiden wollte, Ned Jude zu töten, und verwarf sie dann wieder. Ihm ging
es einfach nur um ihren Plan, und Verzögerungen wollte er um jeden Preis
vermeiden. In London war es einfach gewesen, aber hier – im eroberten
Frankreich – war es etwas völlig anderes, auf Jagd zu gehen.
»Sie werden siegen«, flüsterte Drusilla an seiner Seite. »Die
Meerjungfrauen sind allesamt bewaffnet und wachen über sie.«
Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an. »Wie können sie siegen?«,
fragte er. »Sie ziehen sich doch gerade zurück.«
»Aber sie sind wütend. Spürst du das nicht? Es macht mich richtig
kribbelig«, erwiderte Dru.
»Weiß Gott, so ist es«, grollte Ned Jude hinter ihnen. »Bis jetzt haben
unsere Jungs für andere gekämpft und unseren Nachbarn geholfen. Aber
jetzt sieht das Ganze anders aus.«
Spike wunderte sich erneut über das gute Hörvermögen des Skippers.
Doch bevor er etwas sagen konnte, stellte Ned den Motor ab und ließ die
Seaspray treiben. Sie waren der Küste jetzt nahe genug, um die nächsten
schwimmenden Soldaten aufzunehmen.
»Fassen Sie mal mit an!«, rief der Skipper Spike zu, der erstaunt
feststellte, dass er der Aufforderung Folge leistete.
Doch nachdem er geholfen hatte, die ersten durchweichten Soldaten an
Bord zu ziehen, lösten diese ihn ab und hievten ihre Kameraden aus dem
Wasser. Ned ließ den Motor wieder an und steuerte sein Schiff näher an die
Küste, und kurz darauf war die Seaspray voll. Der rotgesichtige Skipper
hatte einen besorgten Gesichtsausdruck, durch den nichtsdestotrotz Stolz
schimmerte. Er sah Spike an, der gehofft hatte, sich nicht nass machen zu
müssen.
»Diese Stelle ist so gut wie jede andere, Ned«, erklärte Spike. Geduckt
betrat er die Kabine, ging an Soldaten vorbei, die über Drusillas
Anwesenheit an Bord erstaunt waren. Sie für ihren Teil lächelte die
geschlagenen Truppen kokett an. Spike griff nach den beiden Taschen, in
die sie ein paar Kleidungsstücke gepackt hatten, und zog sie an der Hand
hinaus aufs Deck. Als die Soldaten erkannten, dass sie aus dem Boot
springen wollten, kam es zu einem Tumult, aber der Skipper informierte sie,
dass sich das junge Paar nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ. Er
erzählte ihnen von Drusillas drei Brüdern, und die Männer nickten ernst.
Ned steuerte das Boot so nahe an die Küste, dass das Wasser Spike nur
bis zur Brust reichte, als er hineinsprang. Drusilla wurde von mehreren
Soldaten sanft hinuntergelassen, und dann nahm das Boot Kurs auf ein
Navy-Schiff, wo Ned seine menschliche Fracht abladen wollte, um die
nächste an Bord zu nehmen.
Sie wateten durch einen dichten Wald aus Menschen an Land. Jetzt, da sie
erstmals erkannten, wie viele es wirklich waren, wusste Spike, dass es Tage
dauern würde, bevor alle Truppen aus Dünkirchen evakuiert waren. Er
fragte sich, ob sie diese Tage noch hatten oder ob die Deutschen vorher
durch ihre Verteidigungsstellungen brechen würden. Wenn ja, dann würde
es ein Massaker geben, und das Land würde derart von Blut und
Eingeweiden bedeckt sein, dass es wie die Hölle auf Erden wirken musste.
Er war versucht, an Ort und Stelle zu bleiben, um den Treiben zuzusehen,
aber sie hatten andere Pläne.
Orléans, Frankreich
29. Mai
Drusilla langweilte sich. In ganz Frankreich herrschte Krieg. Die deutsche
Armee hatte die Nation geteilt und zerstampfte sie unter ihren Stiefeln.
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