Buffy - 22 - Spike & Dru
klar war, waren ihre Gedanken düsterer als je zuvor.
Was Yanna betraf, so hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen
bestätigt. Sie litt zwar nicht an dem Wahnsinn, der manche Seher befiel,
verlor aber zweifellos allmählich den Kontakt zur Realität. Wie ließ sich
sonst ihre Handlungsunfähigkeit erklären, als Spike sie bedroht hatte? Die
Visionen der Wächterin hatten ihren wachen Geist derart verseucht, dass ihr
rationales Denken in Mitleidenschaft gezogen worden war. Yanna hatte die
Chance gehabt, Spike zu töten, und sie hatte diese Chance nicht genutzt.
Ein Grund mehr für Sophie, sich vom Hauptquartier des Rates fern zu
halten. Sie hatte ihre Pflichten sorgfältig überdacht und war sich im Klaren
darüber, dass sie den Zustand ihrer Wächterin dem Rat melden musste. Und
dennoch hatte sie sich bewusst dagegen entschieden. Yanna war krank. Ihr
Verstand funktionierte nicht richtig. Aber Sophie würde sie nicht dem Rat
übergeben. Yanna war vielleicht nicht mehr in der Lage, mit in den Kampf
zu ziehen oder sie zu führen, aber sie war eine brillante Frau mit
umfassenden Kenntnissen über die Kreaturen der Finsternis. Sophie würde
Yanna als Beraterin bei sich behalten und so auch gleich auf die einzige
Person in ihrem Leben
aufpassen, die für sie so etwas wie eine Familie war.
Yanna hatte sie im Stich gelassen, doch Sophie konnte sie dafür nicht
hassen. Sie konnte nur betrauern, was sie beide verloren hatten, und beten,
dass sich Yannas Geist nicht weiter verwirren würde – jetzt, da der Konflikt
mit Spike, der so viele Visionen ausgelöst hatte, hinter ihnen lag.
»Sophie.«
Die Jägerin blickte auf und sah Yanna herankommen. Im scharfen
Kontrast zu der Entspannung, die Sophie sich erlaubt hatte, wirkte Yanna
mit ihrem strengen Zopf und der tristen, nüchternen Kleidung verspannter
denn je, als wäre dies eine Reaktion auf ihren kürzlich erlittenen
Kontrollverlust. Und Sophie ahnte, dass dem auch so war.
Yannas Gesichtsausdruck zeugte von großer Besorgnis.
Mit einem angedeuteten Lächeln, das ihre Beklommenheit verbergen
sollte, stand Sophie von der Bank auf, strich sich die langen blonden Haare
aus dem Gesicht und ging Yanna entgegen.
»War es sehr schlimm?«, fragte sie die Wächterin.
Yanna blieb vor ihr stehen. Sie schien etwas sagen zu wollen, zögerte
aber. »Nein. Nein, es war so, wie ich es erwartet hatte.«
Sophie blickte zur Seite. Die Worte klangen hohl, doch sie konnte sich
nicht vorstellen, dass Yanna einen Grund hatte, sie anzulügen. Nach einer
kurzen Pause beruhigte sie sich wieder und sah ihrer Wächterin gelassen in
die Augen.
»Was jetzt?«, fragte sie. Ihr fiel auf, dass schon wieder sie selbst die
Initiative ergriff. »Wenn ich alles richtig verstanden habe, sind die
meisten ... Kandidatinnen auf dieser Liste abgeholt worden und entweder
bereits in London oder auf dem Weg hierher.«
Yanna nickte. »Die Kandidatinnen in Moskau und Hongkong sind
informiert worden, wachsam zu sein, bis sie weitere Anweisungen erhalten.
Der Rat glaubt, dass Spike und Drusilla versuchen werden, erst einmal alle
Kandidatinnen in Europa auszuschalten, bevor sie ihre Aktivitäten auf
andere Länder ausdehnen.«
»Aber alle anderen sind jetzt hier«, warf Sophie ein. »Obwohl ich schätze,
dass sie einige Zeit brauchen werden, um darauf zu kommen.«
»Nicht alle«, erklärte Yanna.
Sophie runzelte die Stirn. Irgendwo in der Nähe hörte sie ein Kind laut
lachen, aber sie ignorierte es, nahm nichts mehr um sich herum wahr.
»Ratsagenten haben die Vampire in Barcelona entdeckt. Die nächste
Kandidatin auf der gestohlenen Liste befindet sich in Griechenland. Sie
muss noch informiert werden.«
»Warum?«, fragte Sophie. Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke,
gefolgt von einer Welle aus Übelkeit. »Bitte sagen Sie mir nicht, dass der
Rat sie absichtlich dort gelassen hat, als Köder.«
»Natürlich nicht!«, protestierte Yanna entrüstet. »Die Familie des
Mädchens hat darauf bestanden, dass sie auf Mykonos bleibt, auf der Insel,
auf der sie geboren wurde. Ihr Wächter konnte sie überzeugen, ihrer Tochter
zu erlauben, mit ihm für mehrere Wochen nach Athen zu gehen. Dort
studiert sie bestimmte Texte und Tagebücher, von denen der Rat nicht
wollte, dass sie sie mit auf die Insel nehmen. Sie ist noch nicht
zurückgekehrt, und ihr genauer Aufenthaltsort ist unbekannt. Es scheint,
dass unsere Freunde Mr. Haversham und Mr. Rubie nach
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