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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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mußten. Aber es war gut, das mußte mal jemandem erzählt werden.«
    Ich holte die Blätter aus meinem Handkoffer. Roma nahm sie und starrte eine Weile darauf. Dann riß sie die Blätter abrupt in kleine Schnipsel und warf sie in einen Abfallbehälter, der in der Nähe stand. Vielleicht ist genau dies der Ort, wo am Ende alles beschriebene Papier landet, Briefe, Bücher, Testamente, Tagebücher, Verträge, Urkunden, Vernehmungsprotokolle … im Abfall …
    Ich notierte mir die Anschrift von Roma und Silvio; ich notierte mir die Anschrift von Juliana und Orion. Ich wußte, daß ich sie nie wiedersehen würde. So wie ich auch Maria, Carlos und Euridíce nie wiedersehen würde. Ich bedauere, daß ich Carlos, ich meine, Maria, nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet habe. Sie war ein interessanter Mensch, und dieses Dreieck – die drei durch Liebe miteinander verbundenen Frauen – barg aufregende Geheimnisse, die es verdient hätten, entziffert zu werden. Ich empfand Mitleid mit Maria und Euridíce, die nun wohl auf der sicherlich kalten und häßlichen Polizeiwache von Pereiras hilflos der gemeinen Polizistenbürokratie ausgeliefert waren. Als ich Maria fragte (Euridíce anzusprechen war sinnlos, sie befand sich in einem nahezu katatonischen Zustand), ob sie Hilfe brauche, antwortete sie, nein, sie werde von Cruzeiro aus einen Anwalt in São Paulo anrufen, der sei sehr tüchtig. Eine mutige Frau.
    Im Bus lehnte ich an Minoltas Schulter und schlief. Als wir am Busbahnhof Novo Rio ankamen und das Gepäck in Empfang genommen hatten, sagte der Polyp Guedes zu mir: »Morgen früh komme ich bei Ihnen vorbei.«

5
     
    Guedes kam morgens um zehn Uhr. Ich kannte seine Angewohnheiten. Bestimmt war er seit Tagesanbruch wie ein räudiger, hungriger Hund um mein Haus geschlichen.
    »Laß mich bitte mit ihm allein«, sagte ich zu Minolta.
    Gekränkt verließ sie das Wohnzimmer. Dann hörte ich die Tür mit Krach ins Schloß fallen.
    »Sie wird es doch erfahren«, sagte Guedes.
    »Was erfahren?«
    »Ein Verbrechen steht niemals isoliert, in makelloser Reinheit da, wenn ich das so ausdrücken darf. Drum herum finden sich weitere strafbare Handlungen und Versäumnisse, eine ganze Konstellation von niedrigen und schändlichen Taten. Das Böse ist ansteckend«, sagte Guedes.
    »Manche lassen sich davon inspirieren und anstacheln. Wollen wir darüber philosophieren, Inspektor?«
    Guedes putzte sich schniefend die Nase.
    »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich Zeugen habe, die Sie in der Nacht, in der Delfina Delamare tot aufgefunden wurde, in der Nähe der Rua Diamantina gesehen haben.«
    »Sie sind verrückt. Wenn ich Victor Hugo wäre, würde ich Sie zu einer Romanfigur machen.«
    »Bernarda hat Sie gesehen. Erinnern Sie sich an Bernarda? Sie hatte einen Hund dabei. In der Rua Abade Ramos.«
    »Ich bin nie in einer Rua Abade Ramos gewesen. Und was ist mit dem Straßenräuber, der gestanden hat, Delfina umgebracht zu haben?«
    »Über den sprechen wir gleich. Aber ich kann Ihnen schon mal sagen, daß das Geständnis falsch war. Agenor war von Delfinas Mann dafür bezahlt worden.«
    »Und wieso weiß diese Frau noch, welcher Tag das war, an dem sie mich angeblich gesehen hat?«
    »Es war Adolfos Geburtstag. Adolfo ist ihr Hund.«
    »Ihr Mann ist der Täter. Nur Sie begreifen das nicht. Er wußte, daß sie meine Geliebte war. Seu Guedes, ich habe noch anderes zu tun, ich muß mein Buch Bufo & Spallanzani schreiben, das habe ich Ihnen, glaube ich, doch schon gesagt.«
    »Ja … ja … « Sekundenlang sah es aus, als hätte er es aufgegeben, mit mir zu sprechen. Das war schon einmal bei einer anderen Begegnung mit ihm passiert. Damals war der Polizist auch mitten im Gespräch abgeschweift und hatte mich nur nachdenklich betrachtet.
    Welche Vermutungen mochten ihm in diesem Augenblick durch den Kopf gehen? Ich hatte Guedes’ Besuch nur akzeptiert, weil ich erfahren wollte, ob er irgend etwas über meine dunkle Vergangenheit, die Untat an dem Totengräber, herausgefunden hatte.
    »Ich bin nicht in der Hoffnung hergekommen, Sie dazu zu bringen, ein Geständnis zu unterschreiben. Ich habe Zeit. Sie haben vorhin von Agenor Silva gesprochen, dem Betrüger, der den Mord an Delfina Delamare gestanden hatte. Man hat ihn umgebracht.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Die Leute, die ihn umgebracht haben, wollen noch jemanden umbringen. Ich bin hergekommen, um Ihnen das zu sagen.«
    »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich mit dieser

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