Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
immer noch heftig den eigenen Unterarm massierte.
Dag bewegte die Finger; der Arm schmerzte kaum noch. »Ich kann die Hitze fühlen. «
Hoharie beobachtete sie beide mit der gleichen Au f merksamkeit und wies den Lehrling an, wie er Dags Arm neu schienen sollte. Othan wusch zunächst die schu p pende, übel riechende Haut, wofür Dag eine ungeheure Dankbarkeit empfand. Der rechte Arm des Jungen wirkte entschieden geschwächt. Zwei Mal ve r patzte er das A n legen des Verbandes, und Hoharie musste ihm dabei he l fen, die Knoten zu schnüren.
»Kommt er in Ordnung? «, fragte Dag besorgt und nickte in Othans Richtung.
»In ein paar Tagen, nehme ich an «, erwiderte Hoharie. »Das war eine viel größere Essenzverstärkung, als ich sie normale r weise von Lehrlingen vornehmen lasse. «
Othan lächelte stolz, obwohl seine Augen immer noch ein w e nig verwirrt wirkten. Hoharie bedankte sich bei ihm und entließ ihn. Hinter ihm schloss sie die Tür und setzte sich wieder auf den Stuhl bei Dag. Sie beäugte ihn eingehend.
»Hoharie «, klagte Dag. »Was geschieht mit mir? «
»Ich bin mir nicht sicher. « Sie zögerte. »Wurdest du jemals auf deine Eignung als Formwirker geprüft? «
»Ja, vor Ewigkeiten. Ich hatte weder das Talent noch die G e duld dafür, aber mein Essenzgespür reichte eine Meile weit. Also ließen sie mich Streifenreiter werden. Was ich mir ohnehin verzweifelt gewünscht hatte. «
»Und wann war das? Vor fast vierzig Jahren? Wurdest du in letzter Zeit noch einmal geprüft? «
»Kein Interesse, kein Anlass. Solche Fähigkeiten ä n dern sich nicht mit Ablauf der Jugend … oder doch? «
»Alles, was lebt, ändert sich. « Ihre Augen glänzten vor Interesse – oder war es Begierde? »Ich würde sagen, das war kein Geist, Dag. Es war eines der lebendigsten Di n ge, die ich je gesehen habe. Ich frage mich, ob man damit eine geformte Essenzve r stärkung bewirken kann. «
Dachte sie etwa daran, ihn als Heiler ausbilden zu la s sen? In jener Art von raffinierter Essenzmanipulation zu trainieren, die sie selbst wirkte? Dag war verblüfft. » Dar ist der Formwirker in meiner Familie. «
»Und? « Unter ihrem durchdringenden Blick wand er sich unb e haglich.
»Ich kann das nicht kontrollieren. Es kontrolliert eher mich. «
»Wie bitte? Erinnerst du dich etwa nicht, wie unsicher du am Anfang warst, als sich dein Essenzgespür erstmals entwickelte? An manchen Tagen sind meine Lehrlinge ganz durcheinander. An manchen Tagen bin ich es sogar noch. «
»Fünfundfünfzig ist ein wenig alt für einen Lehrling, meinst du nicht? « Hoharie selbst war ein Jahrzehnt jünger als Dag. Er konnte sich noch daran erinnern, wie sie ein Lehrling gewesen war. »Wie auch immer, ein For m wirker benötigt zwei gesunde Hände. « Er schwenkte zur Erinnerung seine Linke.
Sie setzte zum Reden an, ließ sich dann aber zurüc k fallen und grübelte über diesen letzten Einwand nach.
»Ich gehe auf Patrouille. Hab ich schon immer g e macht. Ich bin gut darin. « Bei dem Gedanken ans Aufh ö ren durchfuhr ihn ein Schauder der Furcht, was mer k würdig war, weil die Jagd auf Übel eigentlich die furch t einflößendste Aufgabe sein sollte, die es gab. Aber er erinnerte sich an seine eigenen Worte in Gla s hütten: Ke i ner von uns könnte diese Aufgabe ohne die Hilfe der anderen schaffen, also verdienen auch alle Dank. Formwi r ker und Streifenreiter, sie alle waren gleichermaßen no t wendig. Alle notwendig, alle entbehrlich.
Hoharie zuckte bedauernd die Achseln und sagte: »Auf jeden Fall solltest du mich morgen wieder aufsuchen. Ich will mir de i nen Arm nochmal ansehen. « Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: »Beide. «
»Mit Vergnügen. « Dag wedelte mit der Schlinge. »Brauche ich die jetzt wirklich noch? «
»Ja. Damit du auch daran denkst, keine Dummheiten zu m a chen. Wo wir gerade von Erfahrung sprechen. Ihr Streifenreiter seid in mancher Hinsicht doch alle gleich. Lass diese Essen z verstärkung erst ein wenig einwirken, und dann werden wir sehen. «
Dag nickte, erhob sich und ging hinaus. Deutlich spü r te er, wie Hoharies neugieriger Blick ihm folgte.
6. Kapitel
Als Dag vom Sanitätszelt zurückkam, empfand er wenig Lust, über den beunruhigenden Vorfall mit dem Lehrling der Hei l kundigen zu reden. Aber es fragte auch niemand. Stattdessen nutzten gleich fünf Personen die Gelegenheit, ihm zu sagen, dass er seiner Frau das Schwimmen be i bringen müsse. Dag hielt das für eine gute Idee, doch
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