Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
aber sie erkannte trot z dem, dass dieses intime Geständnis eine Art Ausgleich gewesen war. Grausamkeit und Freundlichkeit – wie konnte ein Morgen so viel von beidem bringen? »Die Leute sind, wie sie sind, nehme ich an «, stellte sie fest.
Cattagus nickte. »Immer gewesen. Werden immer so sein. Schon besser so. «
Sie stellte fest, dass sie viel ruhiger geworden war. I h re Kehle tat nicht länger weh. Sie berührte das Band an ihrem Handg e lenk und nickte zu Cattagus ’ Arm. »Geht es Mari heute Morgen gut? «
» Bis jetzt . « Er kniff die Augen zusammen und betrac h tete ihre Schnur. »Dag hat etwas damit angestellt, nicht wahr? Oder … mit dir. «
Fawn nickte, auch wenn sie wieder errötete, als sie an die genauen Umstände zurückdachte. Aber Cattagus konnte mitunter spitzfi n dig oder ungehobelt sein, war jedoch niemals gemein. Es war u n wahrscheinlich, dass er auf vertrauliche Einzelheiten drängen würde. »Ich habe es g e schafft, meine Essenz in Dags Schnur zu legen … mit e i nem Trick. Dann haben wir sie verwoben, aber ich konnte seine trot z dem nicht spüren. Deshalb hat er noch ein wenig mehr Essenzmanipulation an meinem Band vorg e nommen, bevor er wegging. Es ist gut zu wissen, dass ich ihn fi n den kann, wenn ich muss. Oder er mich, nehme ich an. «
Cattagus klappte den Mund auf und blieb so sitzen. Blinzelte. »Wie bitte? «
Sie hielt das Handgelenk hoch, schloss die Augen und drehte sich. Als sie die Augen wieder öffnete, blickte sie auf den Wald im Westen. »Diese Richtung. Das ist zie m lich vage, aber wenn ich näher an ihn herankomme, wird das Gefühl für die Richtung wohl genauer werden. Ich hab es ja auch an dem Morgen au s probiert, als er noch in der Nähe war. « Sie drehte sich wieder um und verfolgte überrascht, wie Cattagus die Stirn in Falten legte. »Kö n nen normale Hochzeitsbänder das nicht? «
»Nein. «
»Oh. «
Cattagus rieb sich die Nase. »Ich glaube, er hat sich eigentlich weniger an der Schnur zu schaffen gemacht. Vermutlich solltest du dieses Kunststück keinem anderen gegenüber erwähnen, bis er zurückkommt. «
»Warum nicht? «
»Hm. Nun. Sagen wir einfach, wenn Dag seinem Streit mit dem Stammesrat unbedingt noch weitere Verwic k lungen hinzufügen möchte, sollte er das lieber selbst en t scheiden. «
Da war ein Unterton, den Fawn kaum zu deuten ve r mochte. »In Ordnung «, sagte sie voller Zweifel. Wehm ü tig starrte sie wieder nach Westen. »Wann glaubst du, kommen sie wieder zurück? «
Er zuckte die Achseln. »Kann man nicht wissen. « Aber seine Augen blickten allzu wissend drein.
Fawn nickte, nicht so sehr in Zustimmung wie in stiller Ve r bundenheit. Dann ging sie zu ihrem eigenen Zelt. Sie musste sich über eine neue Arbeit Gedanken machen, um ihre Hände beschäftigt zu halten. Kein Stricken diesmal. Die Sonne stieg der Mittagsstunde entgegen. Fawn hof f te, dass sie Dag den Weg erhellte, wo auch immer ihn dieser gerade en tl angführen moc h te.
Totenstille, dachte Dag. Noch nie war ein Ausdruck tre f fender gewesen.
Die hochstehende Sommersonne erhellte eine Winte r landschaft. Vor seinen Augen erstreckte sich ein Marschland, das so au s sah, als hätte es eine Woche grausamsten Frost hinter sich. Was eigentlich hohes, grünes Schilf sein sollte, lag flach und cha o tisch am Boden und wurde allmählich braun. Die Reihe g e pflanzter Pappeln, an der seine Streife entlang schlich , wogte geisterhaft, mit gelblichen Blättern, die in der reglosen Luft e i nes ums andere zu Boden schwebten. Die Luft selbst war heiß und feucht, so schwül, wie es nur ein Sommer in Feuchtwalde sein konnte. Trotzdem fehlte das Summen und Schwirren von Insekten, jegliches Vogelgezwitscher.
An der Auszehrung war kaum zu zweifeln, wenn sogar die Stechmücken tot dalagen und mit einem Haufen Unrat in schmierigen grauen Schichten auf dem toten Wa s ser trieben. Die Unterseiten einiger verendeter Schildkröten zeichnete ble i che, gelbe Flecken in die Düsternis. Zwischen den schaumigen Überresten spiegelte sich in unregelmäßigen Streifen der blaue Himmel – ein unhei m licher Kontrast.
Der verdorbene Boden zupfte an seinen Füßen, aber es fehlte der auszehrende Sog, der typisch war für einen Landstrich, der über längere Zeit von einem Übel besetzt worden war. Mehr noch: Dag spürte nichts von jenem dumpfen Gefühl in der Mitte seines Leibes, ähnlich dem Nachhall eines heftigen Schlags, das er immer dann em p fand, wenn ein Übel in der
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