Bullenhitze
selbstverständlich. Die Kopfschmerzen.«
»Genau deshalb. Sie finden ohne mich hinaus, nehme ich an.«
»Aber sicher«, gab der Polizist zurück und reichte ihr die Hand zum Abschied. »Gute Besserung und eine gute Nacht«, wünschte er noch und verließ das Haus.
Auf der Straße angekommen stieg er in seinen Wagen, rollte demonstrativ am Haus vorbei, wendete gut sichtbar und fuhr in Richtung Stadtmitte davon. An der nächsten Ecke stoppte er und schaltete das Licht aus, ließ den Motor jedoch laufen und drehte die Lehne seines Sitzes ein paar Grad nach hinten.
*
Um halb zwei war noch immer kein Wagen aus der Sackgasse in seinem Rücken gekommen. Lenz griff zum Telefon, wählte eine Nummer aus der Liste der getätigten Anrufe, und wartete.
»Ja, Intensivstation«, meldete sich die mittlerweile vertraute Stimme.
»Hallo, Anne, ich bin es.«
»Hallo, Mr. Smith«, antwortete sie erfreut, »schön von dir zu hören. Ich dachte schon, du hättest heute Nacht keine Lust auf Besuchen.«
»Doch, natürlich. Klappt es denn?«
»Klar. Komm einfach vorbei, ich bin heute Nacht ganz allein auf Station. Solange wir keinen Notfall kriegen oder einen Doc wegen einem unserer Patienten rufen müssen, hast du sozusagen sturmfreie Bude. Und deiner Patientin geht es auch schon ein klein wenig besser.«
»Das ist aber schön«, antwortete er. »Bis gleich dann.«
»Ja, bis gleich.«
29
Sebastian Bittner hatte Angst. Der groß gewachsene, hünenhafte Mann mit dem muskulösen, durchtrainierten Körper sah zum x-ten Mal auf seine Armbanduhr. Seit mehr als sechs Stunden saß er vor dem Haus des Mannes, der ihm die Freundin ausgespannt und sein Leben ruiniert hatte. Karl-Wilhelm von Brösewitz. Schon der Name war eine Beleidigung für die Ohren des ehemaligen Leistungssportlers. Dieser von Brösewitz, ein dürres Hemd von höchstens 65 Kilo, hatte es geschafft, ihm die größte Niederlage seit Sydney 2000 beizubringen. Dort war er wegen einer herumliegenden Glasscherbe, in die er getreten war und die ihm eine tiefe Fleischwunde zugefügt hatte, nicht einmal in die Nähe der Wettkampfstätten gelangt. Zumindest nicht als Teilnehmer. Nach diesem schmachvollen Erlebnis war er sofort vom aktiven Sport zurückgetreten und hatte sich für zwei Jahre mit seinem Jurastudium befasst, es aber letztlich doch noch abgebrochen. Nach den Jahren des Herumreisens in der ganzen Welt und längeren Aufenthalten in Kalifornien und Australien wollte ihm der geregelte Einstieg in die Jurisprudenz nicht mehr gelingen. Und so hatte er seine Ersparnisse und das bescheidene Erbteil seiner ein paar Monate zuvor gestorbenen Großmutter zusammengekratzt und den Sportartikelladen in Hofgeismar eröffnet. Die Sache war gut angelaufen, auch, weil die Leute ihn mochten und sich gerne mit und bei ihm sehen ließen. Dazu kam eine erfolgreiche Kandidatur für die Stadtverordnetenversammlung, die ihm weitere Türen geöffnet hatte.
Und nun saß er vor dem Haus dieses Adelsmannes am Stadtrand von Kassel und hatte Angst, dass seine Exfreundin gerade gevögelt wurde. Von Karl-Wilhelm von Brösewitz!
Der Kerl hatte seit Längerem ein Auge auf Yvonne geworfen; fast ein Jahr war das so gegangen. Aber immer hatte sie nur abschätzig gemeint, dass sie nicht die Bohne von Interesse an diesem Spargeltarzan habe.
Und nun dieser Schwenk. Er hatte es schon seit ein paar Wochen geahnt, weil sie viel zu oft keine Zeit für ihn hatte. Und immer die gleiche Ausrede: Ich hab so viel im Büro zu tun. Bis er ihr eines Abends von ihrem Arbeitsplatz gefolgt war bis zu dem Haus, vor dem er nun wartete. Zunächst hatte sie versucht zu leugnen, als er es ihr auf den Kopf zugesagt hatte, doch das hielt sie nicht lange durch. Sie gestand, dass ihr Verhältnis mit von Brösewitz bereits eine Weile ging, und trennte sich auf der Stelle von Sebastian Bittner.
Der hatte nach der ersten Wut nur gelacht und war davon überzeugt, dass sie zu ihm zurückkehren und zur Vernunft kommen würde. Doch nichts davon geschah. Und nach einer von ihm erbetenen Aussprache vor einer Woche war ihm klar geworden, dass es eine ernste Sache war, die sie mit diesem Clown angefangen hatte. Danach hatte er eine Nacht lang Rachepläne geschmiedet, die zunächst von großer körperlicher Gewalt geprägt waren. Dann jedoch, gegen 6 Uhr am Morgen, war ihm die Idee mit der Bürgerinitiative gekommen. Das, so war ihm klar, würde sie viel mehr als alles andere auf der Welt treffen. Und so
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