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Bullet Boys

Bullet Boys

Titel: Bullet Boys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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Schuppen entfernt am Bach entlang. Ein absurder Ort für so ein Versteck.
    Aber warum hatte er es dann nicht seinem Vater gesagt? Alex hatte kaum Geheimnisse vor seinem Vater, dennoch wollte er ihn da nicht reinziehen. Tim kam auf seine Weise zurecht. Er zog die Fasane groß, organisierte die Jagden. Er ging in seiner Welt auf. Aber Dinge, die ihn an dunklere Zeiten erinnerten, könnten ihn völlig aus der Bahn werfen. Und das wollte Alex nicht noch einmal erleben.
    Nach dem Tod von Alex’ Mutter, ein paar Monate nach der Beerdigung, hatte sein Vater fast völlig dichtgemacht. Er hatte Alex sein Essen hingestellt und ihn zur Schule gefahren, aber es stimmte nichts mehr. Tim guckte Alex nie richtig an, umarmte ihn nicht, fragte ihn nichts. Manchmal gab es eine Woche lang jeden Tag gebackene Bohnen mit Maiskörnern. Alex’ Bettwäsche blieb verkrumpelt und ungewaschen, sie stank nach Urin. Sein Schulbrot war häufig an einer Ecke verschimmelt. Tim lieferte Alex morgens schon um acht Uhr an der Schule ab. In der Stunde bevor alle anderen kamen, schaukelte er an den Stangen und begrüßte den Hausmeister. Als Alex’ Hund (der in seinem Bett schlief) Flöhe hatte, waren Alex’ Beine voller Flohstiche, und er kratzte, bis es blutete und das Blut in seine Socken lief, die nach dem Trocknen steif und kratzig wurden.
    Alex hatte Kopfläuse und Würmer. Er litt unter Zahnschmerzen, weil er nie die Zähne putzte, seine Haut warvon einem fettigen Film überzogen, da er selten badete und nie Seife benutzte. Tim holte ihn von der Schule ab, machte ihm was zu Essen, nahm ihn mit zum Schießen und setzte ihn vor den Fernseher, sagte aber kaum ein Wort zu ihm. Zu Hause sprach Alex nur mit Gaffer. In einem Schulaufsatz nannte er den Hund seinen besten Freund. In der Kate war es immer still, ab und zu ließ Tim ein paar Worte fallen, aber meistens schwieg er. Die lautesten Geräusche waren das Knacken der Balken und das Rascheln der Mäuse in den Wänden.
    Nach der Schule ging Alex ins Moor hinaus, damit er irgendetwas zu hören bekam. Draußen blies der Wind, riefen die Bussarde am Himmel, dort konnte Alex brüllen und schreien, so viel er wollte. Zu Hause wurde nie die Stimme erhoben. Diese Stille lastete schwer auf Alex und machte ihm Angst.
    Dann wurde plötzlich alles anders. Es war an Alex’ achtem Geburtstag. Alex war früh aufgestanden, weil ihn ein ungewohntes Geräusch, ein lautes Stampfen, das das ganze Haus erschütterte, geweckt hatte. Als er in die Küche kam, fielen ihm vier Dinge auf. Erstens: Die Waschmaschine lief. (Er hatte immer gedacht, sie wäre kaputt.) Zweitens: Auf seinem Platz stand ein Teller mit dampfenden Rühreiern und weißem Brot. Drittens: Seine jährliche Geburtstagskarte und der Brief steckten nicht in einem Umschlag (waren also schon gelesen worden), sondern lagen neben seinem Teller, und viertens: An seinem Stuhl lehnte ein nagelneues Luftgewehr.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, hatte Tim gesagt und ihn umarmt, was er seit Jahren nicht getan hatte. Und danach war alles besser geworden. Tim verlor langsamseinen leeren Blick und er redete mehr mit Alex, fragte ihn, wie sein Tag war, erkundigte sich nach seinen Freunden. Die Wäsche wurde gewaschen, allerdings so, wie’s gerade passte. Im Kühlschrank waren frische Lebensmittel. Dad füllte endlich die richtigen Formulare aus, sodass Alex mit dem Schulbus fahren durfte und jeden Tag fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn in einem Pulk von vielen Kindern eintraf. Heiße Bäder, Metallkämme, kreideähnliches rosa Pulver sorgten dafür, dass alle kleinen Parasiten verschwanden. Sechs Monate später lernte Tim Amy kennen und alles wurde noch besser. Amy brachte Bücher, Wärmflaschen, Obst und Hustensaft ins Haus. Es wurde sauber gemacht. Es wurde darauf geachtet, wann Alex ins Bett ging – wenigstens manchmal. (Jetzt, zehn Jahre später, waren Tim und Amy immer noch ein Paar, obwohl er sie nie hatte überreden können, mit ihm in der Wildhüter-Kate zu leben, und sie hatte ihn nie dazu bringen können, zu ihr nach Plymouth zu ziehen.)
    Alex wusste, dass seine Erinnerung ihn täuschen konnte. Konnte er wirklich wissen, was vor so langer Zeit geschehen war? Aber er erinnerte sich tatsächlich an den Geruch von schmutzigen, nassen Hosen, die in der Sonne zum Trocknen lagen. An eine Brotrinde, die vom monatelangen Liegen ganz unten in seiner Schultasche steinhart geworden war. An einen Turm aus orangefarbenen Patronen, an die Flecken vom

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