Bullet Boys
Sack vom Rücksitz und hielt ihn in einer Hand. In dem Sack war zuvor Fasanenfutter gewesen, jetzt war er die perfekte Tarnung für das Gewehr. Alex hatte ihn mit ein paar Lumpen aufgepolstert. Wenn jemand fragte, was im Sack sei, hätte er eine passende Antwort parat. Er würde sagen, da wären tote Ratten drin und die wollte er im Sumpf versenken. Wer würde schon tote Ratten sehen wollen?
Alex ließ die Hunde im Wagen und bahnte sich seinen Weg durch langes Gras und Nesseln. Er überquerte ein Bachbett, in dem nur noch ein kleines Rinnsal floss, und trat in das Gehölz um den alten Schuppen. Jetzt musste er sich durch Holunder und Brombeeren kämpfen. Hier und da bemerkte er einen abgeknickten Zweig, eine niedergetretene Nessel. Levi hatte bestimmt wieder den Weg durchs Moor genommen, den Alex ihm gezeigt hatte. Wer alsomochte sich hier durchgezwängt haben? Alex spürte ein Brennen in der Brust und merkte wieder, wie viel Angst er hatte. Eine Brombeerranke streifte seinen Arm und hinterließ blutige Schrammen, sein Stiefel versank im braunen Wasser einer schwammigen Kuhle. Sogar in diesem irrsinnig heißen Sommer war der Boden noch nass. Alex kämpfte sich weiter voran. Über ihm schrillten Sumpfvögel, vor ihm lehnte sich der Schuppen an den Zaun. Ein paar kräftige Stöße, und das ganze Ding würde zusammenklappen.
Alex bückte sich und blickte hinein ins Dunkle. Ihm kam alles kleiner vor, das Dach schien ihm noch niedriger als zuvor. Als er hineinging, stieg ihm faule, stickige Luft in die Nase, an seinen Beinen blieben welke Pflanzen hängen. Eilig machte er sich daran, den Sack aufzubinden, kämpfte mit den Knoten, packte schließlich das Gewehr aus und legte es vorsichtig in das Sumpfloch ganz hinten im Schuppen. Den Sack durfte der Eigentümer der Gewehre nicht finden, denn da stand HARRIS GEFLÜGELFUTTER drauf. Alex hatte riesige Angst, dass ihm jemand auf die Spur käme. Er fand den kaputten Spaten und bedeckte das Gewehr hastig mit Erde und Torf. Er arbeitete so schnell, dass ihm der Schweiß über die Stirn und in die Augen lief, aber es war trotzdem schon zehn Uhr, als er fertig war. Eine ganze Stunde war vergangen, seit er von zu Hause aufgebrochen war. Er streute noch einige Handvoll braunes Gestrüpp über die Stelle. Das musste reichen. Jetzt bloß raus hier.
Als er wieder mitten auf dem Hof stand, ließ Alex erst mal ganz in Ruhe seine Blicke über das alte Bauernhaus wandern. Der mit roten Ziegeln gemauerte Schornsteinbröckelte, die Regenrinnen waren mit Moos und verkrüppeltem Sommerflieder bewachsen. Tausende Schirmchen Distelwolle tanzten über das Gelände. Das Gehöft verfiel zusehends.
Sparky bellte ungeduldig.
Alex hatte es geschafft.
Die Sache war so gut wie gelaufen. Sobald Alex die Ratten erledigt hatte, würde er Levi anrufen und mit ihm besprechen, wie sie das übrige Zeug loswurden.
Alles bestens.
RATTEN!
Sparky konnte es kaum abwarten. Beim Schnüffeln sabberte er und sein Schwanz wedelte vor Begeisterung. Gaffer war nicht ganz so besessen, aber auch er lief gespannt und aufgeregt herum.
»Ratten?«, zischte Alex und die Hunde bellten. Alex schwitzte und war immer noch ganz zittrig von der Aktion mit dem Gewehr. Am liebsten wäre er sofort nach Hause gefahren.
Die alte Latrine stand auf dem Feld hinter dem Stall. Sie war kürzlich durch ein gemauertes Toilettenhäuschen mit Wasserspülung ersetzt worden. Die alte Latrine war einfach nur ein Holzschuppen mit Brettern über einer Grube, wo niemand unbeobachtet blieb. Die raue Bretterwand hatte keine Tür mehr, das Blechdach hing schräg.
Alex stellte sein Luftgewehr an die Latrinenwand und ging hinein. Es roch moderig. Er trat eines der Bretter weg und guckte hinunter. Das Zeug in der Grube hatte die Konsistenz harter Karamellbonbons, oben drauf war eine festgebackene Kruste mit Pocken und Furchen wie auf dem Mond. Darin gab es mehrere große Löcher, die mit Federn und trockenem Gras ausgestopft waren.
Sparky sprang schwanzwedelnd auf das andere Brett und schnüffelte. Alex zog seine Handschuhe an und griff nach seinem Spaten. Er fand es ekelhaft, aber Sparky war deutlich anderer Meinung. Der Hund sprang in die Grube und fing an zu graben. Alex hoffte, dass das Zeug da unten wirklich nicht mehr frisch war. Er stellte sich breitbeinig über die Grube und stieß den Spaten in das nächste Loch. Der Gestank war erträglich, es roch etwa so wie Gülle auf einem Feld. Trotzdem würgte es Alex bei dem Gedanken an das, was
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