Bullet Catcher 3: Johnny
suchen ?«
»Heute noch. So rasch wie möglich. Gehen Sie nicht weg « , sagte er und faltete das Blatt mit den Computerspezifikationen von Keishas Laptop, die Sage auf den System- CD -Roms in der Schublade gefunden hatte. »Ich werde die Seriennummer des Rechners durchgeben und sehen, ob er irgendwo bei einem Pfandleiher aufgetaucht ist. Sind Sie sicher, dass sonst nichts fehlt ?«
»Ihr ganzer Schmuck ist hier .« Sage deutete auf die Kommode. »Teurer Schmuck .«
»Es war ein Zwölfhundert-Dollar-Laptop « , wandte er ein.
»Das stimmt, aber die Chanel-Uhr ist mehr wert .«
»Daten auf einem Computer können manchmal besonders wertvoll sein. Kreditkarteninformationen, private E-Mails .« Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Kompromittierende Fotos .«
»Ich habe sämtliche Ordner ihres Computers durchforstet und keine Nacktfotos gefunden, wenn es das ist, was Sie meinen. Aber da war etwas anderes Interessantes .«
Er schob eine Hand in seine Hosentasche. »Das interessiert mich dann natürlich auch. Was war es ?«
Sie beschrieb das Angebot von takemetonight.com und erzählte, dass Keisha nicht zum vereinbarten Treffpunkt erschienen sei. Sie gab ihm alle Informationen, die sie hatte, und hoffte inständig, dass er Johnny nicht mit der Site in Verbindung brachte.
»Da könnte es einen Zusammenhang geben « , sagte sie, nachdem er alles notiert hatte. »Aber bis jetzt habe ich ihn noch nicht gefunden .«
»Ich werde das überprüfen, ebenso die Ermittlungen zum Tod Ihrer Mitbewohnerin « , versprach er. »Und lassen Sie mich bitte wissen, wenn Sie feststellen, dass doch noch etwas fehlt .«
Sage bedankte sich, nahm seine Karte und begleitete ihn zur Tür, wo sie Johnny entdeckte, der ein paar Meter weiter auf dem Gehweg stand und telefonierte. Plante er eine Rettungsaktion für heute Abend? Ihr Magen zog sich leicht zusammen, doch sie verdrängte den Gedanken. Zurück in Keishas Zimmer, starrte sie die Wand an. Das Bett. Den leeren Sekretär.
Sie hatte nie infrage gestellt, dass es Selbstmord war, sondern immer nur versucht, ein Motiv zu finden. Jetzt musste sie die Dinge aus einer ganz neuen Perspektive betrachten.
Hatte dieser Einbruch etwas zu bedeuten? Vielleicht wollte jemand Spuren verwischen? Aber was sollte dann die Schrift an der Wand?
Es sei denn, die Botschaft war gar nicht an Keisha gerichtet. Sondern an Sage.
Erschaudernd sah sie sich noch einmal im Zimmer um und öffnete dann den Kleiderschrank mit ihrem Zeh. Es war ein kleiner Wandschrank, ein Überbleibsel aus der Zeit, als Haus und Wohnung noch nicht saniert waren. Keisha hatte sich oft beklagt, dass sie ihre Kleider viel zu dicht stopfen musste und trotzdem keinen Platz für Schuhe, Gürtel und Handtaschen hatte, sodass sie sie unter dem Bett verstauen musste.
Sage ging auf die Knie und hob die Tagesdecke des französischen Bettes, die bis zum Boden hing. Die Schuhboxen und Aufbewahrungsbehälter boten einen chaotischen Anblick, als wären sie durchwühlt worden, wobei einige noch übereinanderstanden. Stuart Weitzman, Manolo Blahnik, Prada … Sage hatte sich nie für Keishas Shoppingbeute interessiert und hätte nicht sagen können, ob zum Beispiel eine Louis-Vuitton-Tasche fehlte.
Sie bückte sich, um zwei Schuhboxen beiseitezuschieben, und dabei fiel die obere herunter, und der Deckel rutschte weg. Papier segelte zu Boden.
Nein, kein Papier. Karteikarten. Sage beugte sich tiefer unter das Bett, nahm eine und stellte überrascht fest, dass sie leicht am Holzboden haften blieb. Wie ein …
Wie ein Post-it-Zettel, nur dass er die Maße einer Karteikarte hatte und leuchtend bunt war. Genauso wie der Zettel, auf den Keisha ihre Selbstmordbotschaft geschrieben hatte.
Sage streckte die Finger aus, um möglichst viele von den herausgefallenen Karten zu erwischen. Sie schob eine Handvoll zusammen und kroch unter dem Bett hervor. Staub kitzelte sie in der Nase.
Auf allen Karten stand in Keishas markanter Handschrift jeweils ein einzelner Satz:
Hinter meinem Gesicht ist nichts.
Ich habe Angst, alles zu verlieren.
Ich schlafe mit reichen Männern, um Selbstvertrauen zu gewinnen.
Mit angehaltenem Atem las Sage den folgenden Satz:
Manchmal kann ich nicht weitermachen.
»Was machst du denn hier, principessa ?«
Sage erschrak beim Klang von Johnnys Stimme, und als sie den Blick hob, sah sie ihn im Türrahmen stehen. »Ich lese « , krächzte sie.
Er machte einen Schritt in den Raum hinein und lugte ihr über die Schulter.
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