Bullet Catcher: Jack (German Edition)
gibt’s?«, fragte eine jugendlich klingende Männerstimme.
»Ich bin auf der Suche nach Kristen.« Er benutzte den Vornamen, weil es dann persönlicher klang, nicht, als wäre er Polizist oder irgendein Privatermittler. Im Allgemeinen wurde ihm dann zumindest die Tür aufgemacht und mitgeteilt, dass hier niemand mit diesem Namen wohne.
Diesmal passierte erst einmal nichts.
»Ist sie da?«
Er hörte, wie der Türriegel verschoben wurde, dann quietschte der Knauf, und die Tür öffnete sich ein paar Zentimeter weit. Durch den Spalt lugte ein junger Mann mit schütterem schwarzen Haar und verschlagenem Blick.
»Was wollen Sie?«, fragte er.
»Ist Kristen da?«
Der Spalt verbreiterte sich etwas und offenbarte ein Unterhemd und eine abgetragene Schlafanzughose. »Wer sind Sie?«
Sein unerschütterlicher Cop-Instinkt sagte ihm, dass das hier ein Volltreffer war. Schon allein deshalb, weil die Antwort nicht dieselbe war wie bisher: Verschwinde, hier gibt’s keine Kristen!
»Ich bin Jack Fuller.« Er benutzte das Pseudonym, das ihm Lucy gegeben hatte, halb aus Gewohnheit und halb, weil er das Gefühl hatte, dass es nicht sinnvoll war, diesem Kerl gleich reinen Wein einzuschenken. »Ich bin ein Freund von Kristen.«
Die schmalen Augen verengten sich noch mehr. »Dann sollten Sie aber wissen, dass sie tot ist.«
Jack tat schockiert. »Nein, im Ernst? Was ist passiert?«
»Wann haben Sie denn zum letzten Mal mit ihr gesprochen?«, fragte der junge Mann und musterte Jack von oben bis unten. »Wie, sagten Sie, war Ihr Name noch mal?«
»Jack Fuller. Und ich habe sie, ach, zwei oder drei Monate nicht mehr gesehen.«
»Seit sie im Mai hier war?«
»Ja, im Frühjahr. Ich war geschäftlich im Ausland, und das hier ist die einzige Adresse, die ich von ihr hatte.«
Der Typ öffnete die Tür noch etwas weiter, sodass Jack ihn ganz sehen konnte; er war groß und drahtig, vermutlich kräftiger, als er wirkte.
»Tja, sie ist jedenfalls tot.«
»Das tut mir so leid. Und Sie … sind …?«
»Ich bin ihr Bruder Theo.« Er wirkte ein wenig irritiert. »Hat sie nie von mir gesprochen?«
»Theo? Doch, klar. Sie, ähm, wohnen hier, oder?«
»Wenn ich in der Stadt bin. Die Wohnung gehört meiner Mutter.«
Jack schob die Hände in die Taschen und schüttelte den Kopf. »Es tut mir wirklich sehr leid, das mit Kristen. Wie ist es denn passiert?«
»Haben Sie mit ihr geschlafen?«
Die Frage traf Jack unvorbereitet. »Ähm, nein.« Er sah den Typ noch einmal genauer an. »Ich bin ihr nur einmal begegnet.«
»Tja, sie ist tot.«
Jede Faser seines Körpers schrie Jack zu, dass mit dem Kerl irgendwas faul war. Dieses offensichtliche schlechte Gewissen, diese Sprunghaftigkeit … jedenfalls wusste er mit Sicherheit, wo Kristen war.
»Erzählen Sie mir doch bitte kurz, wie es passiert ist«, bat Jack. »Ich fand sie wirklich toll.«
»Sie wurde von einem Auto überfahren. Fahrerflucht. Oben in Washington, wo sie gelebt hat.«
»Gott, wie schrecklich! Ich … puh! Tut mir echt leid, Mann.«
»Ja, danke.« Theo schwang die Tür leicht hin und her, um anzuzeigen, dass er sie gleich schließen würde. »Tut mir leid, dass ich die schlechte Nachricht überbringen musste.«
»Wissen Sie«, sagte Jack und schob seinen Fuß näher an den Türspalt heran, »sie sehen gar nicht so aus, als würde es Ihnen viel ausmachen.«
Der Typ sah auf Jacks Fuß herab und hob dann den Blick wieder. Seine Augen funkelten. »So nicht, Mister. Sie ist tot, und Sie verschwinden jetzt. Wie es mir geht, geht Sie überhaupt nichts an.«
Er schlug die Tür fest zu und schob den Riegel vor. Jack stand einen Augenblick lang da und starrte auf das Schloss, ehe er sich zu Lucy umwandte, die aus ihrem Mauerwinkel heraustrat.
Sie hob eine Augenbraue.
Jack deutete auf das Treppenhaus hinter ihr, und sie steuerten beide darauf zu, ohne ein Wort zu verlieren. Erst hinter der schweren Stahltür sprachen sie wieder.
»Er lügt«, sagte Jack.
»Er verbirgt irgendwas«, stimmte sie zu.
»Wir müssen irgendwie in diese Wohnung.« Als er durch die drahtverstärkten Fenster der Brandschutztür blickte, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Was, wenn sie da drin ist?«
Sie tauschten einen Blick, und Jack konnte an Lucys Gesicht ablesen, dass sie ähnliche Bilder vor Augen hatte wie er, als sie von der Flurtür her Geräusche hörten. Jack brachte sie sofort von der verglasten Brandschutztür weg, denn er sah, wie Theo seine Wohnung verließ, ein Handy am Ohr
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