Bullet Catcher: Jack (German Edition)
er nur das Rad über die Kante heben könnte …
Schweiß stach ihn im Nacken und rann ihm über den Rücken. Er biss sich auf die Lippe, bis er Blut schmeckte. Er trieb den Vogel fester in den Boden, bis sich das Metall unter dem Druck bog. Seine Arme begannen zu zittern, und schon öffnete er den Mund, um nach Diane zu rufen, doch da endlich hob sich das Rad über die Kante. Der Ruck schlug ihm den Ibis aus seiner bebenden Hand und ließ ihn über die gewundenen Stufen abwärtshüpfen, bis er mit einem lauten Scheppern auf dem Boden auftraf.
Wo er selbst gelandet wäre, wenn ihm das verdammte Ding nicht das Leben gerettet hätte.
Er atmete erleichtert auf.
Die Kratzer, die er auf dem Boden hinterlassen hatte, würde der Teppich überdecken. Sobald Marilee wieder auf Reisen ging, würde er die Dielen reparieren lassen. Mit einem zittrigen Tastendruck brachte er sich von der Luke weg, schloss die Klappe und zog den Teppich wieder zurück an seinen Platz.
Sollte jemals irgendjemand hinter sein Versteck kommen, würde er ihn zum Schweigen bringen. Er war zu allem fähig.
Hatte er nicht gerade eben dem Tod erneut ein Schnippchen geschlagen?
Lucy gönnte sich nicht die geringste Pause nach ihrer Nahtoderfahrung. Sie duschte noch nicht einmal. In den folgenden Stunden saß sie mit überkreuzten Beinen auf Jacks ungemachtem Bett und telefonierte – mit seinem Handy, bis sie von Avery ein neues bekam –, erteilte Anweisungen, durchforstete die Datenbank und löcherte Jack mit Fragen.
Am späten Nachmittag hatte sie die komplette Bullet-Catcher-Maschinerie angeworfen, um Theo Carpenter nach allen Regeln der Kunst zu durchleuchten, und zwar noch bevor sie zum Abendessen nach Willow Marsh fuhren.
Doch dann rief Marilee an und sagte das Essen ab, mit der Begründung, dass sich der Richter nicht wohlfühle.
»Mir auch recht«, sagte Lucy, nachdem sie Marilees Nachricht an Jack weitergegeben hatte. »Dann bleibt uns mehr Zeit für das hier.«
»Oder wir machen einen kleinen Ausflug zwischendurch.« Er stand auf und nahm das rußgeschwärzte Jackett, das sie auf einen Stuhl geworfen hatte. »Komm, lass uns gehen!«
»Wohin?« Lucy machte sich daran, vom Bett zu klettern.
»Columbia. Das sind nur knapp zwei Fahrstunden von hier, und wenn wir uns beeilen, erwischen wir Eileen zwischen Abendessen und Schlafen.«
»Ich will da nicht hin.«
»Nein? Nach allem, was du getan hast, willst du die Frau nicht einmal kennenlernen? Warum nicht?«
Zehn verschiedene Gründe schossen ihr auf einmal durch den Kopf. »Wir haben noch so viel zu tun.«
»Telefonieren kannst du im Auto.«
»Wir sollten uns hier nicht wegbewegen, falls wir nach Willow Marsh gerufen werden.«
»Du hast dein Spezialistenteam vor Ort. Du kannst ruhig mal für ein paar Stunden verschwinden.«
Lucy atmete geräuschvoll aus. »Sie trauert, Jack. Sie hat gerade erst erfahren, dass ihre Tochter tot ist. Sie möchte allein sein.«
Das brachte ihr einen ungläubigen Blick von Jack ein. »Sie war dreißig Jahre lang allein.«
Als Lucy sich nicht rührte, warf er das Jackett auf das Bett. »Du brauchst nicht mitzukommen. Aber ich muss mit Eileen über Kristens Besuch bei ihr reden.«
Er hing also immer noch dieser Wahnvorstellung nach. »Jack, ich habe dir doch gesagt …«
»Außerdem ist sie gestern wieder in die Krankenstation des Gefängnisses zurückverlegt worden, und ich habe erfahren, dass die leitende Stationsschwester gekündigt hat. Wenn ich nicht hingehe und den Vollidioten sage, dass sie gegen Erdbeeren allergisch ist, wird sie spätestens nächste Woche voller Pusteln sein.«
Lucy ließ unwillkürlich ihr Kinn ein Stück sinken. »Du machst dir wirklich Sorgen um sie.«
»Stell dir vor, in meiner behaarten Brust schlägt ein menschliches Herz.« Er suchte seine Sachen zusammen und strebte zur Tür, ehe er sich noch einmal zu ihr umwandte. »Wirst du hier sein, wenn ich zurückkomme?«
Sie zögerte eine Sekunde. Es kam fast nie vor, dass sie ihre Meinung änderte. Aber jetzt war so ein Moment. »Warte, ich komme doch mit. Aber auf der Fahrt musst du mir erklären, warum.«
»Warum was?«
»Warum dir diese Frau so viel bedeutet.«
Er lächelte. »Okay, Luce. Dann lass uns gehen.«
Eine Stunde lang sagte er gar nichts. Der Highway zog sich schnurgerade und monoton quer durch den Staat. Lucy sah zu, wie die Sonne hinter den Bergen unterging, und nickte immer wieder beinahe ein.
Offenbar hatte sie tatsächlich etwas geschlafen, denn
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