Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
gleite in eine Trance
hinüber. Ich falle immer tiefer, dort hin, wo sich außer Schwarz nichts
befindet, wo ein Gedanke keinen Moment lang überdauert, wo jeder Anschein einer
Idee im Nichts verschwindet. Dort bleibe ich solange hängen, bis der Hungerruf
meiner Kinder mich wie eine Klaue am Schnabel packt und heftig rüttelt. Dann
wache ich wieder auf…
….
Es scheint, als schaue ich durch ein riesiges Fenster in
der Decke auf raschelndes Baumorange, dessen Spitzen von der grünlichen
Morgendämmerung erleuchtet sind. Vögel singen seltsame Lieder von Vogelkater
und Bauchweh. Ein sechsbeiniges Tier mit der Form eines Eichhörnchenprimaten
springt von Baumspitze zu Baumspitze und trifft ein Nichts ahnendes, vorbei
fliegendes Insekt von der Größe einer ausgewachsenen Honigmelone. Die
zusammengeprallten Kreaturen fliegen gegen die orange Baumkrone und verursachen
heftigen Laubfall. Die Blätter wirbeln tanzend in der Luft und landen langsam
auf dem Glas. Als die letzten Blätter zur Ruhe kommen, bin ich verblufft und
beunruhigt, weil der heruntergefallene Laub in „chīsanischer Sprache“
einem gewissen „Toshirō“ „guten Morgen“ wünscht. Völlig durcheinander weiß
ich nicht, über was ich mich zuerst wundern soll...
Glücklicherweise ist mir sofort eine plausible Erklärung für
den Zaubertrick an sich eingefallen: Die Blätter sind bestimmt stark
eisenhaltig, während das Glas an gewissen Stellen magnetisiert ist … vielleicht
kann das Glas sogar pixelgenau magnetisiert werden, fast so, wie ein Monitor,
so dass man jedes Wort schreiben könnte…
Upsa … mein Bett setzt sich in Bewegung … die Schrift wird
vom Winde verweht, während die Bäume irgendwohin nach unten verschwinden. Noch
bevor ich die Spitzen aus der Sicht verliere, dreht sich die Perspektive um
neunzig Grad in der Vertikale, so dass ich mich in panischer Angst am
Bettlacken festzuhalten versuche, weil meine Intuition mir hochheilig
verspricht, dass ich von meinem Bett Richtung meine Beine herunterfallen werde.
Ich plane sorgfältig meine Landung auf der Wand, während doch Nichts passiert …
zumindest nicht mit der Gravitation – ich bleibe auf dem Bett liegen, zugegeben
in einer kuriosen Pose verkrampft, bloß das Fenster fährt langsam in einer
Kurve zu der Wand, auf der ich zu landen vorhatte… Nun befindet sich die
Aussicht dort, wo sie hingehört – an einer Wand. Es zeigt einen Schwebeflug
über einer teils heruntergekommenen, teils sich im Aufbau befindenden Stadt,
über der ein „blauer Riese“ aufgeht … Supēsupōto (oder kurz
Pōto) – die Hauptstadt von Chīsana.
Während an vereinzelten Stellen in der Ferne Rauch zum
Himmel aufsteigt, um den herum Feuerwehr schwebt und etwas Zähflüssiges
herunterspuckt, wächst die Stadt in der näheren Umgebung fast bemerkbar in die
Höhe: hier und da ragen einige Gebäude über die anderen langsam hinaus, als
wenn die Leute in den Penthäusern sich einen besseren Blick verschaffen
wollten. Etwas weiter links und weiter hinten werden Häuser ohne Fenster von
schwebenden Greifarmen auseinander genommen – die Gegend sieht aus, wie ein
Ghetto, das dem Boden gleich gemacht werden soll… Insgesamt orientiert sich die
Stadt zur Mitte irgendwo hinter mir: Das Orange der Bäume bedeckt breite,
radiale Lichtungen vom Zentrum bis in die Peripherie, Parks beschreiben
Kreisbögen und Segmente. Die meisten, zumindest die saubersten Gebäude in der
Nähe sehen leicht futuristisch aus, haben merkwürdige, fast absurde Formen und
Fensterfarben, albern hinausragende Extremitäten, die des Öfteren einzelne
Gebäude miteinander verbinden, aber dafür exquisite Penthäuser mit viel
Wassergrün und Pflanzenorange… Der leicht grünliche Himmel über der Stadt ist
seltsamerweise weitgehend frei von fliegenden Objekten – alles, was in der Luft
schwebt, scheint irgendeinen Job zu erledigen.
Die langsam aufsteigende und sich drehende Perspektive
ermöglicht nun die Sicht auf die, im geometrischen Zentrum sitzende,
gigantische, pyramidale Festung, die, umringt von einem kreisförmigen
Stadtgarten, im Grunde so aussieht, als könnte sie sich jede Zeit von der
Erdoberfläche trennen, in den Kosmos hinaufsteigen und, wenn sein muss, das
hiesige Sonnensystem verlassen… Wenn mich meine Augen nicht täuschen, zeigen
mächtige Kanonen, Kanonenreihen und ganze Waffensysteme in den Himmel, während
eher kleinere Waffen scheinbar die Stadt bewachen oder anvisieren
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