Burke 2 - Strega
helfen. Das is alles.«
Der Junge forschte in meinem Gesicht, suchte die Wahrheit – wahrscheinlich würde er sie nicht erkennen, wenn er sie sah. »Was muß ich machen?«
»Ich suche jemanden. Hier draußen. Ich will die Straßen abfahren und suchen. Ich möchte, daß du auch mitsuchst, okay?«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Wen suchen Sie denn?«
»Kennst du den kleinen schwarzen Typ ohne Beine – den auf dem Skateboard ... schiebt sich mit den Händen an?«
Seine Gesicht erhellte sich. »Yeah! Yeah, ich kenn ihn. Ich hab mal mit ihm geredet. Er hat mich gefragt, ob ich weglaufen möchte.«
»Was hast du ihm gesagt?« fragte ich.
»Ich hab mit ihm geredet, als Rod vorbei gekommen is.«
»Ist Rod der Typ, mit dem ich geredet habe?«
»Ja, das isser. Er hat den kleinen Typ einfach vom Skateboard gekickt. Er hat Beine, wissen Sie?« sagte der Junge mit ernstem Ton.
»Weiß ich«, sagte ich ihm. »Sperr jetzt die Augen auf – wir gehn ihn suchen.«
»Wieso?« fragte er.
»Er soll mir heut nacht bei was helfen«, sagte ich.
»Du wirst mir nicht wehtun?« fragte er wieder.
»Nein, mein Kleiner. Ich werde dir nicht wehtun«, versprach ich ihm erneut, Abstand wahrend.
Ich drehte ein paar langsame Runden durch die Pißgrube, kutschierte durch die Querstraßen zwischen Sixth und Ninth Avenue, ließ die Blicke über die Szene streifen, hielt Ausschau nach dem Prof. Ein Polizeiwagen klemmte sich neben uns; die Blicke der Cops waren gelangweilt. Fast alle Leute auf der Straße waren männlichen Geschlechts – Traumkäufer auf der Suche nach Lieferanten, Wolfsrudel auf der Suche nach Beute. Die Hölle verzehrt ihre Gäste.
Ich kurvte an der 39th herum und steuerte auf der Eighth zurück nach Uptown. Wir waren über die 44th, als der Junge rief: »Ich seh ihn!« und aufgeregt zur Vorderseite eines Schwulenkinos deutete. Der Prof war auf seiner Karre, graste den Verkehr ab, bettelte mit seinem Becher um Münzen und beobachtete alles vom Null-Level aus, was die Cops nie konnten. Ich brachte den Lincoln an den Randstein, zog den Zündschlüssel, schloß die Tür hinter mir ab und ließ den Jungen drin. Der Prof hörte meine Schritte auf sich zustapfen und blickte hoch, die Hand in seinem langen, zerlumpten Mantel. Als er mich sah, griff er feste auf den Gehsteig und gab sich einen kühnen Schubs in meine Richtung. Wenn sich in unserer Welt jemand schnell bewegt, folgt der Ärger auf dem Fuß.
»Prof, komm schon«, sagte ich ihm, »wir haben was zu arbeiten.«
»Singst du mein Lied, so mach mich nicht müd«, stieß er hervor, bereit zu was auch immer; ich sollte damit rausrücken.
Ich packte seine ausgestreckte Hand und zog ihn auf seiner Karre vorwärts zum Lincoln. Ich öffnete den Kofferraum. Der Prof kletterte von seiner Karre, und wir schmissen sie ins Innere. Ich öffnete die Beifahrertür, und der Prof sprang rein. Er zog seine Tür zu, während ich zur Fahrerseite rumlief. Innerhalb einer Minute waren wir wieder im Verkehr nach Uptown. »Terry«, sagte ich zu dem Jungen, »das ist der Prof.«
»Der Prof?« fragte der Junge.
»Prof ist die Kurzform für Prophet, guter Mann«, sagte der kleine schwarze Mann, zog seinen mißgestalteten Filzhut runter, und sein stachliger Afro schoß unkontrolliert in die Höhe. »Ich bleibe okay, weil ich alles seh.«
Der Junge machte große Augen, doch er hatte keine Angst. Gut.
»Was’n los?« wollte der Prof wissen. Er nannte meinen Namen nicht.
»Sag ich gleich, Prof. Erst brauchen wir Michelle. Weißt du, wo sie arbeiten könnte?«
»An Avenue C ist sie doch nie.«
(Die Lower East Side war zu gefährlich zum Arbeiten.) »An den Docks findest du nur Gesocks.«
(Die Strichjungen hatten der West Street den Rest gegeben.) »Willste also Sex, mußte an die Lex.«
Ich zog den Lincoln gen Osten und fuhr auf der 48th quer durch die Stadt. Ich zündete mir eine Zigarette an und ließ das große Auto von selber rollen. Die Huren arbeiteten erst in den Thirties.
»Kann ich eine kriegen?« fragte der Junge.
Ich reichte ihm die Schachtel. »Wie alt bist du, mein Junge?«
fragte der Prof, nicht eben glücklich über meine Erziehungsmethoden.
»Ich hab auch geraucht, als ich in seinem Alter war«, beschied ich ihn.
»Yeah, und schau, was rausgekommen ist, Bruder«, kam als Erwiderung.
Ein Lächeln, flüchtig wie eine Erinnerung, huschte über das Gesicht des Jungen. Er reichte mir die Schachtel wieder.
Die Seitenstraßen, die die untere Lexington Avenue kreuzten,
Weitere Kostenlose Bücher