Burke 3 - Bluebelle
zündete eine Zigarette an, reichte sie ihr.
»Man hat mir erzählt, meine Mutter wär bei meiner Geburt gestorben. Sissy hat mich eigentlich aufgezogen – sich um mich gekümmert –, mein Vater schenkte mir nicht die geringste Aufmerksamkeit.«
Sie zog an der Zigarette, blickte an die dunkle Decke.
»Ich war ein großes, hochaufgeschossenes Mädchen, selbst als ich noch ziemlich jung war. Und richtig dürr – kannst du das glauben?«
»Sicher.«
»Ich war’s. Wie ein Brett. Ein häßliches, altes, dünnes Mädchen mit überhaupt keinem Gesicht. Sissy war die Hübsche.
Ich wußte es, wenn ich sie mir im Morgenlicht anschaute. Sissy war streng mit mir. Ich mußte meine Pflichten eisern erledigen, oder ich hab es zu spüren gekriegt. Auch die Hausaufgaben.
Wir hatten eine Schule, alle Kinder in einer Klasse zusammen.
Sissy paßte auf, daß ich meine Hausaufgaben machte. Schickte mich immer sauber zur Schule, egal, wie die Dinge zu Hause standen. In all der Zeit, die ich sie kannte, hatte sie nie ein neues Kleid. Sagte, es würde ihr nichts ausmachen. Aber sie hatte hübsche Nachthemden. Sie hat mich mal erwischt, als ich eins anprobieren wollte, und hat mich so schwer vermöbelt, daß ich mich etliche Tage nicht mehr hinsetzen wollte. Alles, was sie hatte, gab sie mir. Außer diesen Nachthemden. Oder ihrem Parfüm.«
Sie nahm einen weiteren Zug.
»Mein Vater hat sich nie viel um mich geschert. Ab und an hab ich was gemacht, damit er mich wahrgenommen hat. Mir ein bißchen Aufmerksamkeit schenkt. Er hat sich nicht drum gekümmert, ob ich meine Hausaufgaben machte, aber sein Kaffee mußte so und nicht anders sein: schwarzer Kaffee mit einem großen Schlag Sahne oben drauf; er hat ihn nie umgerührt.«
»Einmal hab ich ihm widersprochen. Er schnappte sich meinen Arm, zog seinen Gürtel raus, ums mir zu besorgen.
Sissy ging dazwischen, ein Küchenmesser in der Hand. Der Teufel stand ihr aufs Gesicht geschrieben – man konnte es sehen. ›Du legst keine Hand an das Kind‹, sagte sie ihm.«
»Er machte einen Rückzieher. Sagte ihr, ich hätte eine Tracht nötig, konnte ihr aber nicht ins Gesicht schauen. Sissy sagte, wenn ich eine nötig hätte, wäre sie diejenige, die sie mir verpaßt. Mach schon, sagte mein Vater, gib sie ihr.«
»Sissy riß ihm den Gürtel aus den Händen, zerrte mich hinten raus. Brüll jetzt besser, sagte sie mir. Laut! Hat die mich damals übel verdroschen! Brachte mich an der Hand ins Haus zurück, befahl mir, meine Pflicht zu tun und den Mund zu halten. Mein Vater beobachtete uns, als wir reinkamen. Sissy ging nach hinten zum Schlafzimmer. Ich sah, wie sie eins ihrer Nachthemden aus der Schublade zog. Mein Vater ging ebenfalls nach hinten.«
Wieder zog sie an der Zigarette, die Glut dicht an ihrer Hand.
»Eines Tages war mein Vater schwer betrunken. Später Nachmittag, Schatten vom Sumpf auf der Rückseite des Hauses. Als ich nach Hause kam, hörte ich ihn mit Sissy kämpfen. Ich schwör dir, ich bring dich um, sagte Sissy zu ihm. Er lachte sie bloß aus. Schlug ihr hart übers ganze Gesicht. Ich ging auf ihn los. Er schüttelte mich ab, aber ich kam wieder hoch. Sissy und ich kämpften mit ihm, bis ihm die Puste ausging. Er lag einfach auf dem Boden und schaute zu uns auf. Ich komm heut nacht wieder, sagte er Sissy, ich komm wieder und nehm mir, was mir gehört.«
»Er torkelte aus der Tür. Sissy packte mich und nahm mich mit nach hinten. Deine Zeit ist gekommen, sagte sie mir. Sie holte einen Koffer raus. Ich wußte nicht mal, daß sie einen hatte. Pack all deine Sachen da rein, befahl sie mir. Streit nicht rum. Ich half ihr beim Packen. Ich dachte, wir würden gemeinsam ausreißen. Wir haben uns hinten rausgedrückt, in den Sumpf rein. Sissy zeigte mir eine Markierung auf einer Zypresse, die sie mit dem Messer eingekerbt hat. Sie gab mir eine Schaufel und befahl mir zu graben. Tief.
Ich stieß auf einen alten Steinkrug, mit Wachs verschlossen. Stieß auf noch zwei. Sissy brach die Krüge auf. Innen waren fast tausend Dollar.«
Belle jaulte auf – die Zigarette hatte ihr die Finger verbrannt. Ich hielt ihr den Ascher hin, und sie ließ sie reinfallen, steckte sich eine Sekunde die Finger in den Mund und saugte dran.
»Sissy setzte mich an den Tisch. In ein paar Stunden ist er wieder da, sagte sie. Du nimmst den Koffer und gehst in den Sumpf.
Ich kümmer mich ums Boot, damit er nicht hinter dir her kann.
Du hältst dich die ganze Zeit auf dem Weg hinten, bis er auf den
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