Burke 3 - Bluebelle
hin, als ich mir einige Eiswürfel aus dem Kühlschrank holte. Ich wickelte die Eiswürfel in ein Handtuch und hielt es mir ans Gesicht. Setzte mich neben das Telefon.
Als ich aufwachte, war es vier Uhr morgens vorbei. Meine Jacke war auf der linken Seite pitschnaß. Ich schnappte mir das Telefon. Amtszeichen.
»Es hat nicht geklingelt.« Eine weiche Stimme vom Bett. »Ich hab aufgepaßt, seit du eingeschlafen bist.«
»Danke.«
»Ich bleib jetzt am Telefon. Wenn du dort angekommen bist, wo du hinwillst, kannst du mich anrufen. Wenn du bis dahin deinen Anruf nicht kriegst, kannst du die Nummern austauschen, okay?«
»Yeah.«
»Ich hab einen Elektro-Radiator: Im Winter wird’s am Wasser kalt. Du kannst erst deine Sachen trocknen.«
Ich zog die Jacke aus, knöpfte das Hemd auf. Belle stieg aus dem Bett. Ich reichte sie ihr. »Dein Gesicht ist geschwollen«, sagte die – die Stimme ein Flüstern, gehaucht, wie man jemandem ein Geheimnis erzählt.
»Ist keine große Sache. Nichts gebrochen.«
»Mein Herz ist gebrochen«, sagte sie. Als sage sie, es wäre Mittwochmorgen.
»Belle ...«
»Sag gar nichts. Es war mein Fehler. Ich hab Mist gebaut. Ich wollte einen harten Mann. Einen harten Mann, keinen kalten Mann.«
Ich zündete mir eine Kippe an. Sie kam wieder her zu mir, ihre Stimme klang nun traurig. Traurig über uns alle. »Keinen kalten Mann, Burke. Keinen Mann, der meine Liebe nicht hinnehmen will.«
»Ich wollte doch bloß ...«
»Yeah, weiß ich. Du glaubst, die Wahrheit zu sagen ist kein Spiel für eine Frau.«
»Das isses nicht.«
»Nein?« reizte sie, die Kleinmädchenstimme mit Säure getränkt.
»Glaubst du, ich könnte keinen Cowboy finden, der für mich ’nen Schnapsladen hochnimmt? Glaubst du, ich kann nicht irgend ’nen Typen so rammelig machen, daß er sich ’ne Knarre nimmt?
Keinem Schwanzgesteuerten Honig ums Maul schmieren, bis er mir zeigt, was für ein großer Mann er ist?«
»Ich weiß, daß du könntest.«
Belle stolzierte durchs Zimmer, knöpfte die Hosenträger los, zog sich das T-Shirt über den Kopf, hakte den BH auf. Sie öffnete den Reißverschluß, zog die weiße Hose über die Hüfte. Sie setzte sich aufs Bett. Band die Sneaker auf, warf sie in die Ecke. Sie ging rüber zur Kochnische, wo Jacke und Hemd von mir auf Kleiderbügeln hingen und in der Glut des Elektro-Radiators grillten. Sie griff sich mein Hemd. »Ich trockne es lieber so«, sagte sie und schlüpfte rein. Sie versuchte es zuzuknöpfen; es wollte sich über der Brust nicht schließen lassen.
Sie sank neben mir in die Knie, die Hände auf meinen Schenkeln, und schaute zu meinem Gesicht hoch.
»Kriegen wir noch eine Chance?«
»Wer ist ›wir‹?«
»Du und ich.«
»Für was?«
»Die Wahrheit zu sagen. Ich will dir die Wahrheit sagen. Die echte Wahrheit. Ich schwör’s bei meiner Mutter«, flüsterte sie, und die eine Hand machte ein X auf ihre Brust. »Das ist mein heiliger Eid.«
»Belle ...«
»Tu mir nicht so weh, Burke. Ich würde dir nie weh tun. Du weißt nicht, was ich möchte. Du hast nicht die geringste Ahnung.
Laß mich sagen, was ich sagen muß.«
Sie erhob sich wieder, streckte die Hand aus.
Ich nahm sie.
Sie zog mich zum Bett. »Setz dich«, sagte sie. Sie nahm eine fette, schwarze Kerze, plazierte sie in dem Glasaschenbecher, stellte ihn oben auf den Kopfteil des Bettes. »Zünde sie an«, sagte sie.
Ich riß ein Streichholz an. Ich hörte ein Klicken – der Elektro-Radiator hatte sich abgeschaltet. Belle legte sich aufs Bett zurück, die Hände hinter dem Kopf. Ich setzte mich neben sie, beobachtete die kleine Kerzenflamme.
»Das ist die Wahrheit«, begann sie. »Ich bin an einem kleinen Ort aufgewachsen, von dem du nie was gehört hast. In Süd-Florida. Bloß ich, mein Vater und meine große Schwester. Sissy. Wir wohnten in einem winzigen Haus am Rand des Sumpfs. Nicht viel größer als das hier. Mein Vater hat ein bißchen das und ein bißchen jenes gemacht. Wie jeder da unten. Hat hinten draußen ein bißchen Gemüse angebaut. Ein bißchen Schnaps gebrannt. In der Nähe war ’ne Fabrik – er hat gearbeitet, wenn sie Arbeit hatten.
Hat sich wegen der Häute ein paar Alligatoren geschossen. Boote repariert. Wir waren arm, aber zufrieden. Wenn mein Vater gute Kohle gemacht hat, hat er immer was fürs Haus gekauft. Wir hatten einen alten Eisschrank, einen hübschen Farbfernseher. Ein gutes Boot auch. Mercury-Außenborder.« Ihre Stimme verlor sich in der Erinnerung. Ich
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