Bußestunde
in der bulgarischen Regierung gesessen? Davon abgesehen kannte er nichts.
Reginève hörte sich französisch an, auch wenn er den Namen nicht kannte. Sezaock und Eschine ließen sich keiner Nationalität zuordnen, auch wenn beide sich als Namen plausibel anhörten.
Er ging die übrigen Bücherregale in der Wohnung durch, fand aber keine Bücher der genannten Autoren. Wie gesagt: Es musste nichts bedeuten. Oder eher: Es konnte alles bedeuten.
Er beendete seinen Besuch in Tore Michaelis’ Wohnung am nördlichen Ende der Varvsgatan, indem er die erste Seite des Romans Bint von Ferdinand Bordewijk aufschlug. Er schaute auf den dritten Satz. Es war Holländisch, aber der Satz war weder lang noch schwer zu verstehen. Paul Hjelms provisorische Übersetzung lautete: »Behalte dies im Gedächtnis und suche anderswo.«
Einen Moment lang zweifelte er an seiner Übersetzung. Er musste sie natürlich nachprüfen, aber sie kam ihm richtig vor.
»Behalte dies im Gedächtnis und suche anderswo …«
Er ließ sich den Satz durch den Kopf gehen und gehorchte dann der darin enthaltenen Aufforderung. Er schlug das Wachstuchheft wieder auf und suchte jeden dritten Satz von den drei drastischen Tagen im Mai heraus, an denen Tore Michaelis zu seinem dramatischen Entschluss gelangt war. Das Ergebnis lautete: »Stattdessen erinnern wir uns. Seitdem versuche ich, mit diesem Gefühl zurechtzukommen. Für die meisten Menschen hat ›Samstag‹ einen besonderen Klang.«
Es war durch und durch sinnfrei.
Paul Hjelm legte das Wachstuchheft obenauf und packte den ganzen Stapel unter den Arm. Dann trug er ihn hinunter in sein umweltfreundliches Auto und fuhr damit ins Präsidium.
Dort angekommen, klickte er sich schnurstracks ins Internet und suchte Reginève, Sezaock und Eschine. Reginève ergab zwölf Treffer, von denen keiner ein Name war. Sezaock ergab keinen einzigen Treffer, aber Eschine ergab dreißigtausend.
Dreißigtausend?, dachte Paul Hjelm und fing von vorn an.
Er fand nur eine einzige Person, den griechischen Rhetor Aischines, einen Redner der Antike, der auf Französisch und Italienisch Eschine genannt wurde. War dies möglicherweise der fragliche Autor?
Aber es gab keine Bücher von diesem Aischines/Eschine. Er war ein Redner aus der Schule des Sokrates. Und Sokrates war viel zu skeptisch gegenüber sich selbst, um seine Gedanken niederzuschreiben. Sofern der größte Denker der Weltgeschichte nicht außerdem Analphabet gewesen war. Und das Gleiche schien für Aischines zu gelten.
Und Reginève? Nein, ein Name war das nicht, so viel schien klar. Er ging die französischen Telefonbücher durch, die er im Netz fand. Den Namen gab es tatsächlich nicht.
Daraufhin begann Paul Hjelm, die Buchstaben umzustellen. Er folgte gleichsam einem Instinkt. Nachdem er mehr oder weniger gelungene Wörter wie Ginerève, Gevinère, Nirèvege und Greinvèe hingepuzzelt hatte, offenbarte sich plötzlich etwas Wohlbekanntes. Der Name Vigenère. Und den kannte er eindeutig. Aber woher?
Er fand die Antwort im Netz. Und dachte: Wenn ich Spion werden will, muss ich verdammt noch mal lernen, Chiffrierungen zu entschlüsseln. Es handelte sich um die Vigenèrechiffre oder die Vigenèrekryptografie, eine der klassischen Verschlüsselungsmethoden. Erfunden – oder eher vollendet – wurde sie von dem französischen Diplomaten und Kryptografen Blaise de Vigenère in der Mitte des 16. Jahrhunderts.
Der Ausgangspunkt war eine Tabelle. Sie war simpel, aber genial. Man schrieb ganz einfach das Alphabet von »a« bis »z« sechsundzwanzigmal übereinander. In der ersten Reihe begann man mit »a«, in der zweiten, unmittelbar darunter, begann man mit »b«, ging so das ganze Alphabet durch, fing wieder von vorn an und endete mit »a«. Die dritte Reihe lief auf die gleiche Art und Weise von »c« bis »b«, die vierte von »d« bis »c« – und so weiter, bis »z«. So entstand ein großes Quadrat von sechsundzwanzig mal sechsundzwanzig Buchstaben, stets um einen Buchstaben verschoben.
Man ging von einem Kryptogramm und einem Schlüsselwort aus. Gemeinsam schufen diese einen Klartext. Das Kryptogramm bestand aus der gleichen Anzahl Buchstaben wie der Klartext, während das Schlüsselwort bedeutend kürzer sein konnte. Vielleicht wollte man einem Bataillon mitteilen, dass es im Morgengrauen aufbrechen sollte. Der Klartext konnte dann die Form »aufbruchimmorgengrauen« haben. Dazu nahm man beispielsweise das Schlüsselwort »gelb«. Dann wiederholte man
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