Bußestunde
Sache sicherer. Sie weiß, dass es machbar ist. Noch ein paar Wochen später, im Juli, als Åsa schon tot ist, nimmt eine Frau, die sich Marisa Santos nennt, Kontakt zu Tiina auf. Apropos brasilianische Namen …«
»Hör auf«, sagte Chavez. »Erzähl mir nicht, dass die Idee mit der São-Paulo-Connection ernst gemeint ist.«
»Darauf weist nichts hin. Aber deshalb ist es erst recht logisch, dass es sich um einen Nick handelt. Eine Marisa Santos wird es in Wirklichkeit kaum geben.«
»Aber ihr Arm existiert.«
»Jedoch nicht mit dem Namen. Lisa Jakobsson hingegen hat sich nicht die Mühe gemacht, ihren wirklichen Namen zu schützen. Sie war auf der Stelle bereit, zwanzigtausend Kronen für Anamagica hinzublättern, ohne Maskierung.«
»Tiina Spinroths Opfer heißen also Åsa Karlsson, Louise Strömberg, Marisa Santos und Lisa Jakobsson. Zum Glück nicht Tova Hjelm.«
»Wobei die Authentizität der mittleren Namen mit Skepsis zu betrachten ist«, erinnerte Jon Anderson.
»Zwei Dinge verstehe ich nicht«, sagte Jorge Chavez.
»Lass hören.«
»Warum zum Teufel lässt Tiina Spinroth all diese Informationen in ihrer Mailbox liegen?«
»Reine Dummheit?«
»Von wegen. Tiina Spinroth verfolgt eine Absicht damit. Ich frage mich nur, welche. Er schickt Tova zu uns hinein. Er weiß, dass die Polizei auf dem Plan ist und seine Mails lesen wird. Aber er macht sich nichts daraus? Oder legt er sogar falsche Spuren?«
»Nun hör endlich mal auf, Tiina Spinroth dauernd ›er‹ zu nennen. Das stiftet nur Verwirrung.«
»Nein, ich höre nicht damit auf. Ich habe mich nämlich inzwischen festgelegt. Ich bin davon überzeugt, dass es ein Mann ist.«
»Klar müssen wir damit rechnen, dass er Spuren legt, die uns in die Irre führen. Aber deshalb können wir die Information nicht einfach ignorieren.«
»Willst du nicht wissen, was das Zweite ist, das ich nicht verstehe?«
»Doch, schon«, sagte Jon Anderson ein wenig gereizt.
»So wie ich es begriffen habe, müssen sowohl die Domain als auch der Server damals im Mai bezahlt worden sein«, sagte Jorge Chavez. »Wie ging das vonstatten?«
Jon Anderson sah ein wenig weichgeklopft aus.
Chavez riet ihm: »Wenn du dich beeilst, erreichst du Sara noch, solange sie in der Bank in der Vasagatan ist. Ich checke inzwischen weiter die Autonummern.«
Ein Telefonklingeln hallte durch den Raum. Sie kannten den Klang nicht. Beide betrachteten ihre Handys, als hätte irgendein ihnen übelwollender Nahestehender (vermutlich der Tischnachbar) den Klingelton geändert. Doch das war nicht der Fall.
Schließlich fielen die Blicke der beiden Herren auf einen verstaubten Apparat auf ihrem gemeinsamen Schreibtisch. Zweifellos war das Haustelefon ein zum Aussterben verurteiltes Phänomen.
»Ich dachte es mir«, sagte Arto Söderstedt auf der anderen Seite des Drahts. »Gebt zu, dass ihr nicht wusstet, was da klingelt.«
»Was willst du?«, fragte Chavez knurrig.
»Nur euch mitteilen, dass die vier Handynummern bisher nichts ergeben haben. Ihr habt gesagt, ihr wolltet das wissen.«
»Wir wollten informiert werden, wenn du etwas findest, nicht, wenn du nichts findest.«
»Und ihr?«
»Nichts Besonderes«, sagte Chavez. »Nur die Identitäten aller vier Opfer. Wir würden nicht im Traum daran denken, dich damit zu behelligen.«
»Was?«, rief Söderstedt.
»Åsa Karlsson, Louise Strömberg, Marisa Santos und Lisa Jakobsson.«
»Aber die beiden mittleren Namen sind keine gesicherten Identitäten!«, rief Jon Anderson von der gegenüberliegenden Seite des Schreibtischs dazwischen und erntete einen bösen Blick.
Arto Söderstedt legte auf. Er saß genau auf der anderen Seite der Wand. Er war ein einsamer Mann, der sich nicht einsam fühlte. Sein Interesse an dem, womit er sich beschäftigen sollte – triste Handynummern, die sowieso nur zu nicht identifizierbaren Prepaid Cards führten –, war begrenzt, dagegen hatte ein glücklicher Zufall – der natürlich alles andere als ein Zufall war – ihm Zugang zu einer Gemeinschaft verschafft, die er seit Jahren vermisste. Nennen wir es die europäische Gemeinschaft.
Arto Söderstedt führte allerlei Suchaktionen in den Datenbanken von Europol durch. Bisher hatte er keine Treffer erzielt, die als wesentlich gelten konnten, aber er fühlte, dass er etwas auf die Spur gekommen war.
Es war lange her, dass er seine Europasehnsucht ernsthaft gespürt hatte. Er war wirklich nicht begeistert davon, dass die Zeit alle Wunden heilte, denn er
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