ihn immer wieder in den Videoladen gehen und jedes Mal von dort eine junge, ungewöhnlich schlanke Frau abholen. Genau genommen müsste ein Mann mit einem guten Gedächtnis wie Naoum Chamoun sich an die Frauen erinnern können, die Åkerblom mitgenommen hat. Sag jetzt nicht, dass diese Methode unfehlbar ist. Unser Mörder ist nicht unfehlbar. Es ist möglich, ihn/sie zu schnappen, und genau das werden wir tun. Und das weißt du.«
»Das glaube ich auch«, sagte Chavez. »Aber der Grund dafür wird sein, dass wir smart sind, nicht, dass er beknackt ist.«
»Sind nicht die meisten Verbrecher ziemlich beknackt?«, fragte Jon Anderson.
»Absolut«, sagte Chavez. »Und die anderen kommen zu uns …«
»Ich sitze also hier mit E-Mail-Formularen von elf Frauen und einem Mann, die an Tiina Spinroth geschrieben haben. Fünf davon hat sie beantwortet. Drei von denen kennen wir schon: Åsa Karlsson, Lisa Jakobsson und Tova Hjelm. Soll ich dir die anderen Namen nennen? Oder hältst du das für überflüssig?«
»Moment mal.« Jorge sah ihn interessiert an. »Was sagst du da?«
»Ich versuche halt, ein bisschen was zu schaffen.«
»Ein Mann ?«
»Anscheinend. Aber er hat keine Antwort bekommen. Klassische Geschlechtsdiskriminierung.«
»Jetzt mal ganz sachte«, sagte Chavez. »Du hast also sowohl die Anfragen der Interessenten als auch Tiina Spinroths Antworten?«
»Sie waren noch unter ›Gesendete Objekte‹«, sagte Anderson.
»Aber nicht mit Namen?«
»Ich gestatte mir einen Überblick, wenn es dem Herrn genehm ist. Bevor Tiina Spinroth die Vierzimmerwohnung in der Jungfrugatan gemietet hat, finden sich keinerlei Spuren einer Tätigkeit. Der wenig überzeugende Name Tiina Spinroth taucht vorher nicht auf. Am 12. Mai wird die Domain ›thinspiration.se‹ registriert, und am 14. wird die Homepage ins Netz gestellt. Die ersten vier Schreiben von Interessenten fallen in die zweite Maihälfte. Sie ziehen eine gewisse Kommunikation nach sich, werden aber von Tiina Spinroth sämtlich abgelehnt. Sie nennt dafür keine Gründe. Diese vier, unter denen ein Mann ist, geben Codenamen an, sogenannte Nicks, die kaum mit irgendwelchen vernünftigen schwedischen Taufnamen übereinstimmen. Und das veranlasst Tiina Spinroth wahrscheinlich dazu, ihnen abzusagen. Sämtliche vier weigern sich auch, ihre Handynummer anzugeben. Es ist von Anfang an klar, dass sie/er keine Überraschungen erleben will. Doch dann – Ende Mai, Anfang Juni – erhält sie eine Anfrage von einer Frau namens Åsa Karlsson. Das ist eine andere Art von Kontakt. Jetzt wird es ernst. Wir kennen die Mailadresse und die Handynummer von der Mordermittlung der Stockholmer Polizei. Es besteht kein Zweifel, dass es ein und dieselbe Åsa Karlsson ist. Tiina Spinroth schickt zum ersten Mal ihre Instruktionen. Åsa soll in den Videoladen gehen und dort warten, dass man Kontakt zu ihr aufnimmt. Es handelt sich um die gleichen Anweisungen, die später auch an Lisa Jakobsson geschickt wurden.«
»Der Mittsommermord«, sagte Chavez. »Und der Monatswechsel Mai–Juni. Ich sehe eine zeitliche Lücke, die uns etwas sagen könnte.«
»Åsa Karlsson wurde in der Nacht zum 24. Juni im Lill-Jansskog tot aufgefunden. In der Mittsommernacht.«
»Und befand sich wann im Videoladen von Naoum Chamoun?«
»Am 3. Juni.«
»Drei Wochen«, sagte Jon Anderson und nickte langsam. »Drei Wochen in der Hölle.«
»Und als man sie fand, war sie frisch getötet?«
»Was für eine grässliche Formulierung.«
»Wir beschäftigen uns mit grässlichen Dingen, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.«
»Ja, sie wurde um 23.46 Uhr am Freitag, dem 23. Juni, gefunden. Da war sie Sigvard Qvarfordt zufolge seit höchstens fünf Stunden tot.«
»Dann war sie drei Wochen in der Wohnung in der Jungfrugatan«, sagte Chavez dumpf. »Drei verfluchte Wochen.«
»Der Körper wies Spuren von Folterungen auf, die sich über einen längeren Zeitraum hingezogen haben müssen. Das stimmt. Leider.«
»Und die beiden anderen Namen?«
»Kontakt mit einer Louise Strömberg am 22. Juni. Da war sie im Videoladen. Für sie gibt es keine direkte Identitätsbestätigung, nur eine Hotmail-Adresse, ›
[email protected]‹, und eine Handynummer ohne Abonnement. Prepaid Card. Dennoch akzeptiert Tiina Spinroth sie – vielleicht hat sie zu diesem Zeitpunkt angefangen, ihre rigorosen Sicherheitsvorkehrungen ein wenig zu lockern. Sie hat sich drei Wochen mit Åsa Karlsson abgegeben. Jetzt ist sie ihrer