Bußestunde
einer erst kürzlich gestarteten Anbieterfirma, und sie war kurz und bündig. Tiina Spinroth hatte ihr Handy insgesamt fünfmal benutzt, nicht öfter. Söderstedt folgerte daraus, dass dies geschehen sein musste, um Åsa Karlsson, Louise Strömberg, Marisa Santos, Lisa Jakobsson und Tova Hjelm zu kontaktieren. Damit ergaben sich fünf exakte Zeitpunkte, an denen diese fünf vor dem Regal mit den Filmkomödien in Naoum Chamouns Videoladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen. Die drei Telefonnummern, die Spinroth nicht angerufen, sondern aussortiert hatte, gehörten drei Menschen mit Namen Linda Pilsk, Ingela Kärnfrisk und Lasse Luus. Doch Arto Söderstedt schloss sie bei seiner umfangreichen Suche mit ein.
Und damit hatte er die anstehenden Aufgaben erledigt.
Jetzt hieß es nur warten, und das war nicht gerade Arto Söderstedts starke Seite. Er wurde sofort rastlos, wie nur Arto Söderstedt rastlos werden konnte. Dramatisch rastlos. Er stand auf und trabte im Zimmer auf und ab und wurde von dem akuten Bedürfnis befallen, verbal auf Gunnar Nyberg einzuprügeln und ihn Würstchenbudenfritze zu nennen, um sich selbst als Aristokrat beschimpfen zu lassen.
Da sagte sein Computer plötzlich »pling«, und eine Antwort aus Europa war eingetroffen.
Sie kam aus Portugal, genauer gesagt aus Braga. Und sie war an keinen Geringeren adressiert als an »senhor Sadestatt of the Swedish police«.
Endlich.
Das Schreiben war ein holprig formulierter Bericht über einen Mord, der ungefähr einen Monat zurücklag. Der zuständige Kriminalbeamte, dessen Titel wohl in etwa auf das Gleiche hinauslief wie Arto Söderstedts, nämlich Kriminalinspektor, hieß Duarte Ferreira da Silva, und er berichtete von einem Zeugen, den er kürzlich im Zusammenhang mit dem Mord an einem in Braga frisch etablierten Zuhälter verhört hatte. Der Zeuge war ein reicher Geschäftsmann aus Lissabon, der – zufällig, wie es zunächst schien – ins Zentrum einer Art Inferno geraten war. Zunächst war Söderstedt nicht recht klar, wie der Mord eigentlich vonstattengegangen war – dazu war Duarte Ferreira da Silvas Englisch wirklich zu holperig –, aber der ehrenwerte Kriminalinspektor hatte auf jeden Fall einen Verdacht gegen den Geschäftsmann gefasst. Dessen Behauptung, zufällig auf der Straße vorbeigekommen zu sein, konnte kaum der Wahrheit entsprechen. Es war ganz und gar kein Ort, an dem man zufällig des Nachts vorbeikommt, besonders nicht um halb zwei – und schon gar nicht, wenn man in der Regel von einem Privatchauffeur durch die Welt kutschiert wird, der an diesem Abend mit Abwesenheit glänzte. Nein, der Geschäftsmann hatte einen Grund, am fraglichen Ort zu sein, und zweifellos hatte er mit dem später ermordeten Zuhälter eine Verhandlung geführt. Duarte Ferreira da Silva hatte, zum Entsetzen seiner Vorgesetzten, den Geschäftsmann ziemlich rüde in die Mangel genommen, hatte damit gedroht, die ganze Angelegenheit seiner Frau und den Kindern und der Schwiegermutter und den Geschäftsfreunden zu erzählen, hatte damit gedroht, dass die Finanzpolizei sämtliche Guthaben seiner acht verschiedenen Aktiengesellschaften einfrieren würde und so weiter und so weiter. Und der Geschäftsmann, der von Anfang an schon reichlich mitgenommen war von dem, was er mit angesehen hatte, und deshalb auch nicht in der besten Verfassung, war langsam, aber sicher zu einem Geständnis gedrängt worden. Er gab zu, eine Bestellung gemacht zu haben. Seit seiner Kindheit waren ihm beim Anblick der Schauspielerin Lauren Bacall die Knie schwach geworden. Duarte Ferreira da Silvas etwas ausschweifender Bericht legte den Schluss nahe, dass der Fixierung des Geschäftsmanns auf die Bacall Howard Hawks’ meisterlicher Film noir The Big Sleep aus dem Jahre 1946, nach dem extrem dichten Drehbuch von William Faulkner, zugrunde lag und sich danach immer weiterentwickelt hatte. Plötzlich war eine Bande auf der Bildfläche erschienen, die exakte Kopien berühmter Frauen als Prostituierte anbot. Es war möglich, sich ganz einfach seine Spezialanfertigung von Lauren Bacall zu kaufen. Gut, man musste ein paar Monate warten, bis das Design passte und alle Wunden ordentlich verheilt waren, doch dann gab es kein Hindernis mehr. Und genau zu dem Zeitpunkt, als der Deal abgeschlossen werden sollte, tauchten die Mörder auf. Sie entstiegen sozusagen den Fassaden der verfallenen Gebäude dieses zwielichtigen Viertels. Duarte Ferreira da Silva zitierte sogar den
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