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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Geschäftsmann wörtlich: »Sie glitten gleichsam aus den Gassen heran, dunkle, magere Gestalten. Als lösten sie sich direkt aus den Fassaden. Völlig in Schwarz gekleidet, wie in Ganzkörpertrikots und mit schwarzen, eng anliegenden Kapuzen, wie Henker in einem Albtraum.«
    Arto Söderstedt fuhr zusammen, als würde er erneut von den Schüssen getroffen werden. Drei Schüsse aus einer MP mitten auf die Brust.
    Waren das nicht wohlbekannte Klänge?
    Und zugleich ganz unbekannte. Keine aufgehängten Körper, keine langen Nadeln in der Hirnrinde, mitten im Schmerzzentrum. Aber wieder ein ermordeter Zuhälter.
    Arto konnte nicht umhin, ein wenig zu kichern. Das waren verdammt noch mal die alten Erinnyen, die Rachegöttinnen.
    Er fühlte sich zurückversetzt in einen Palast im Zentrum von Mailand vor gut fünf Jahren. Seine Zähne waren von einem Pistolenlauf ausgeschlagen, und er war dem Tod so nahe, wie er es noch nie gewesen war. Er hatte sich schon damit abgefunden, dass er sterben würde, und hatte sich innerlich von allem und allen verabschiedet, er stand mit einem Fuß tief im Grab – aber stattdessen war er von einer Gruppe von Frauen, die sich in engen schwarzen Kapuzen wie Henker gebärdeten, gerettet worden.
    Natürlich waren sie Mörder. Folterer und Mörder. Es gab keine Möglichkeit, mit dem, was Magda Kouzmin und ihr Anhang taten, zu sympathisieren. Aber es war eine unbezweifelbare Tatsache, dass sie ihm das Leben gerettet hatten.
    Und jetzt? Waren sie wirklich wiederaufgetaucht? Nach Mailand hatte es keine Spur von den Erinnyen mehr gegeben. Er hatte dann und wann nach ihnen gesucht, um zu sehen, was aus ihnen geworden war. Aber sie waren verschwunden. Er dachte, dass sie vielleicht, trotz allem, sich wieder in die Gesellschaft eingefügt hätten, genug gehabt hätten von Gewalt und grausamem Tod. Dass ihre Mission einfach beendet wäre.
    Dass die Erinnyen wirklich Eumeniden geworden seien.
    Aber jetzt waren sie allem Anschein nach wiederaufgetaucht. Und was taten sie? Sie hatten ihre früheren Foltermethoden aufgegeben, die aus einem nationalsozialistischen medizinischen Zentrum in Weimar entlehnt waren. Die Zeit war vorbei.
    Jetzt taten sie etwas völlig anderes. Sie zogen dem Zuhälter die Gesichtshaut ab.
    Söderstedt las Duarte Ferreira da Silvas erstaunlich lakonische Formulierung ein zweites Mal. Doch, es musste die einzige denkbare Übersetzung sein.
    Er seufzte, und Enttäuschung machte sich in ihm breit. Anders konnte er es nicht beschreiben.
    Magda, dachte er. Nicht auch das noch. War das wirklich nötig?
    Ein Schnitt war quer über den hinteren Teil des Schädels gelegt worden. Dann war die Haut über den Kopf und das Gesicht heruntergezogen worden. Der Zuhälter hatte gelebt, als dies passierte. Und der Geschäftsmann hatte es mit angesehen. Kein Wunder, dass er etwas angeschlagen war.
    Arto Söderstedt saß eine Weile still da. Er holte ein paarmal richtig tief Luft, als schrie sein Blut nach mehr Sauerstoff. Dann erweiterte er seine Suche um die Begriffe »face skinning« und »pimps«.
    Sein Handy klingelte. Er blickte aufs Display, und da stand »Gunnar«. Er meldete sich.
    »Kerstin Holm.«
    »Hör auf«, sagte Gunnar. »Es ist eine Frau.«
    »Kerstin Holm, ja«, sagte Arto Söderstedt.
    »Ja meinetwegen, aber Tiina Spinroth auch.«
    »Sicher?«
    »Ziemlich«, sagte Nyberg. »Ich sitze hier bei einer Nachbarin, Eva-Lisa Reymersson. Sie hat zweimal eine Frau an der Tür von Tiina Spinroth im ersten Stock gesehen.«
    »Oder einen Crossdresser«, sagte Söderstedt. »Ich vermute mal, dass deine Zeugin Rentnerin ist?«
    »Stimmt.«
    »Um die achtzig?«
    »Circa.«
    »Dann weißt du ja, dass es die eine oder andere Fehlerquelle geben kann. Stell die richtigen Fragen.«
    »I will«, sagte Gunnar Nyberg gut gelaunt. »Und wie läuft es bei meinem genialen Partner?«
    »Die Erinnyen sind wieder in Aktion«, sagte Söderstedt ebenso gut gelaunt. »Und diesmal haben sie es auf ein neues Syndikat abgesehen, das mittels plastischer Chirurgie weibliche Stars herstellt und sie an den Meistbietenden verkauft.«
    Gunnar Nyberg blieb stumm. Und schwieg lange. Söderstedt wartete.
    »Was du alles schaffst«, sagte Nyberg schließlich. »Aber das hat nicht das Geringste mit Handys zu tun.«
    »Man nimmt, was man kriegt«, sagte Söderstdt und beendete das Gespräch.
    Gunnar Nyberg betrachtete einen Moment das Mobiltelefon in seiner Hand. Dann wandte er sich wieder an die faltige alte Dame auf der anderen

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