Bußestunde
brauchte den Kontakt, ordentlichen Kontakt mit seinen gesamteuropäischen Partnern.
Er brauchte das einfach, musste es hören, wie die Leute zu ihm »Mister Sadestatt« sagten.
Das Komische, das richtig, richtig Komische war, dass er die ganze Zeit auf einen Namen zurückkam. Nicht »Mister Sadestatt«. Einen ganz anderen Namen.
Gail Devers.
Jon Anderson war es gewesen, der den Namen erwähnt hatte, und damit hatte er bei Arto Söderstedt eine ganze Leichtathletikwelt neu belebt. Er, der sich keinen Sport im Fernsehen mehr ansah, war einmal ein nahezu fanatischer Leichtathletikgucker gewesen. Es gab nicht viele andere Sportarten, aus denen er sich je etwas gemacht hatte, aber Leichtathletik war irgendwie der Kern und Ursprung allen Sports. Am schnellsten laufen, am weitesten springen, am höchsten springen, am meisten schaffen. Die Grundvoraussetzung für jede Sportausübung. Der Gegensatz zu Bandy?
Er vermisste allen Ernstes Weitsprung aus dem Stand.
Stattdessen bekamen wir Dreisprung. Wahrscheinlich bekamen wir, was wir verdienten.
Wir bekamen auch Gail Devers. Die weltbeste Sprinterin und Hindernisläuferin für einige Jahre. Eine Frau, die sich den Teufel darum scherte, was andere dachten, die ihre Fingernägel unverhältnismäßig lang wachsen ließ, enorme Muskeln bekam und deren Hautfarbe mehr und mehr ins Gelbe tendierte, was für viele Beobachter ein deutliches Zeichen von schwerwiegendem Doping war.
Devers war mit anderen Worten eine äußerst muskulöse Frau, was überhaupt nicht zu – wie hieß sie? – Marisa Santos passte, deren abgetrennter Arm als das direkte Gegenteil von muskulös bezeichnet werden konnte. Dennoch gab es eine Anzahl von Molekülen in Söderstedts Körper, die ihm keine Ruhe lassen wollten. Es kam ihm vor, als insistierten sie auf etwas.
Er ließ das Bild auf dem Monitor vor sich umspringen und rief ein neues auf, immer schneller wechselte er zwischen beiden Bildern hin und her, es waren stark vergrößerte Aufnahmen der Hände von Marisa Santos und Gail Devers. Schließlich hielt er inne und überlegte: Spürsender in Form eines einoperierten Mikrochips. Und die auffallende Ähnlichkeit mit einem Star. Hatte er so etwas nicht schon einmal gesehen? Oder davon reden hören?
Oder es gelesen? Im Kino gesehen?
Ellroy, fiel ihm plötzlich ein. Aber das war in den Fünfzigerjahren in Los Angeles. Und von Spürsendern natürlich keine Spur. Dagegen ein Ring von Prostituierten, die durch Schönheitsoperationen zu Kopien bekannter weiblicher Sexikonen gemacht worden waren. Hollywoodstars.
James Ellroys L. A. Confidential . Aber das waren ja nur Phantasien. Kranke Ideen eines Krimischriftstellers.
Arto Söderstedt hielt alle Krimiautoren für Idioten. Allein der Gedanke, sich etwas so Dubiosem zu widmen wie der Erfindung von Verbrechen, flößte ihm Ekel ein. Als gäbe es in der Realität nicht vollauf genug davon. Dass er anderseits eine Menge Krimis las, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Wie auch immer, er fing an, seine Suche in den europäischen Strafregistern zu variieren. Er fügte den Suchworten »prostitution« und »international« ein paar weitere hinzu: »celebrity«, »plastic surgery« und »microchips«.
Während Computer rundum in Europa sich daranmachten zu denken, tief und lange in ihren Datensätzen zu wühlen, tat Arto Söderstedt genau das Gegenteil, nämlich seine Pflicht. Das ist nicht selten das Gegenteil von Denken.
Er begann, die Handynummern zu kontrollieren.
Elf Frauen und ein Mann hatten in dem Zeitraum, in dem Tiina Spinroths Homepage, www.thinspiration.se, im Internet zugänglich gewesen war, ihr Interesse angemeldet, diese Information hatte Jon Anderson ihm per Mail zukommen lassen. Offenbar wollte er seinen schwer beschäftigten und dünnhäutigen Partner nicht telefonisch stören. Von diesen elf hatten acht ihre Handynummer angegeben. Fünf von ihnen waren ausgewählt worden, drei waren ausgeschieden, darunter der Mann.
Arto Söderstedt verwandte jetzt einige pflichtbewusste Minuten darauf, diese acht Handynummern zu isolieren und zu identifizieren. Sie gehörten zu verschiedenen Anbietern, und für keine von ihnen existierte ein Vertrag. Wie er vermutet hatte, war bei keiner der Nummern ein Name registriert. Er seufzte und machte sich daran, sämtliche Anbieter anzurufen, um Gesprächslisten anzufordern, einschließlich natürlich der von Tiina Spinroth.
Letztere war am einfachsten zu bekommen. Die Antwort kam binnen kürzester Zeit von
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