Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
versprach er.
Reinert, der neben ihm saß, kritzelte etwas auf einen Zeitungsrand, riss den Schnipsel ab und steckte ihm das Ding zu. Er hatte einen Haftnotizblock gezeichnet und auf das oberste Blatt Gittas Alibi geschrieben.
Na gut. Elias versenkte den Schnipsel in seiner Hosentasche. »Die Tür steht übrigens offen«, sagte er.
Sämtliche Blicke wanderten zur Tür des Konferenzzimmers. Missverständnis. »Die Tür im Wohnhaus von Familie Coordes«, erklärte Elias. »Sie schließen nicht ab. Obwohl das bucklige Männlein reingekommen und Steffi aus dem Haus verschwunden ist, schließen sie die Tür nicht ab. Das finde ich komisch.«
»In Ostfriesland werden Türen traditionell nicht abgeschlossen«, erklärte Krayenborg von oben herab. »Zumindest auf dem Land. Das ist gute Sitte. Bei uns hat man nichts zu verbergen.«
»Aber vielleicht zu schützen«, meinte Elias. Er holte den Schnipsel wieder heraus, lieh sich von Reinert den Kuli und notierte auf der Rückseite: Tür unverschlossen – keine Angst?
Dann erklärte Koort-Eike, ein junger Mann mit Pausbacken, stämmigen Schultern und einer schwarzen Hornbrille, dass die Hunde nichts gefunden hatten und die Hundertschaft auch nicht, außer auf einem Feldweg eine Puppe, die der kleinen Steffi gehörte. Aber die war völlig verdreckt und lag schon lange da. Schuss in den Ofen also.
»Gitta Coordes ruft im Stundentakt hier an«, erklärte eine ältere Kommissarin, die Hedda hieß und einen gewaltigen Busen hatte. »Entweder macht die sich echt Sorgen, oder sie spielt prima Theater.«
Tja, und genau das war die Frage.
Die Besprechung dauerte, deshalb konnte Elias erst gegen Mittag los nach Neermoor. Da war Gitta aber gerade beim Einkaufen. Die Leute auf dem Hof waren ja praktisch Selbstversorger. »Aber Klopapier kannste dir nicht häkeln, und deshalb muss Gitta einmal die Woche doch in den Supermarkt«, erklärte Oma Inse, die in der Küche Heringe ausnahm. Boris saß bei ihr, und Elias nutzte die Gelegenheit für das überfällige Verhör. »Erzähl mir mal vom buckligen Männlein«, forderte er den Jungen auf.
Boris hatte eine weiße Flasche vor sich auf dem Küchentisch stehen und außerdem eine Plastikschale, eine Pinzette und einen blauen Stein. Auf seiner Nase saß eine Schutzbrille, die er nur aufbehalten konnte, weil er die Nase krauszog. »Ich züchte ’nen Kristall«, sagte er.
»Warum?«
»Ist doch toll.« Er versuchte einen Faden um den blauen Stein zu wickeln, was ganz schön kniffelig war.
Oma Inse lächelte ihren Besucher über die Brille hinweg an. »Er ist klug, unser Boris, der kommt nach Gitta. Wenn er nicht den Hof übernimmt, wird er vielleicht mal Wissenschaftler.«
»Das is’n Impfkristall«, erläuterte Boris. »Daraus züchte ich jetzt ’nen Riesenkristall, einen blauen Kupfersulfat. Den nenne ich Smaragd von Samarkand .«
»Aha.« Beeindruckt sah Elias zu, wie Boris am anderen Ende des Fadens einen Holzspatel befestigte, dann eine Flüssigkeit in einen von Omas Messbechern goss und den Stein hineinhängte. Er sprach erst wieder, als Boris seinen Becher mit dem baumelnden Kristall auf der Fensterbank verstaut und die Schutzbrille abgenommen hatte. »Und wie war das nun mit dem buckligen Männlein?«
»Das ist doch ein Quatsch, den Bärbel sich ausgedacht hat«, sagte Oma Inse.
Elias wollte aber Boris’ Meinung hören, und so schaute er ihm in die Augen und wartete. Boris ruckte nervös auf dem Küchenstuhl.
»Sag einfach, wie es war.«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Na ja, das Männlein war erst in der Stube, wo deine Mama ferngesehen hat, und dann ist es rüber zu euch ins Zimmer. Zu dir und Steffi. Und bei Steffi am Bett …«
»Sie haben’s aber drauf, dem Jungen Angst zu machen, was?«, meinte Oma Inse mit deutlichem Missfallen. Da hatte sie recht. Steffi war verschwunden, natürlich musste ihr Bruder sich fürchten. Vielleicht würde er ja ebenfalls verschwinden, irgendwie. Sollte er nicht voller Panik sein? War er auch. Elias las es in seinen Augen.
»Hast du irgendetwas gesehen, was uns helfen könnte zu verstehen, wohin Steffi verschwunden ist?«
Boris schüttelte den Kopf.
Elias seufzte, bewunderte noch einmal den Kristall und ging dann zu Gitta. Sie war oben in ihrer eigenen Etage. Auch dort sah es gemütlich aus, aber nicht verwohnt gemütlich wie bei Oma Inse und Opa Bartel, oder so stresslos gemütlich wie bei Bärbel, sondern gestylt gemütlich. Wahrscheinlich hatte sie Landlust abonniert, oder
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