Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Levke Winter
Vom Netzwerk:
bitterlich. Hm. Elias stand ein Weilchen da, dann hüstelte er, um sich bemerkbar zu machen. Die Frau hievte sich schwerfällig aus dem Sitzmöbel, kam zu ihm, schlang die Arme um seinen Hals und weinte weiter. Er brachte sie mit schildkrötenartigen Bewegungen zu ihrem Sessel zurück, weil er Scheu hatte, sich gewaltsam von ihr loszumachen. Leider ließ sie sich auch dort nicht dazu bewegen, von ihm abzulassen. Also hielt er sie schließlich fest und wartete.
    »Ich vermisse sie so«, schluchzte Bärbel.
    Elias seufzte.
    »Ich bin die Mama, sagt Gitta. Die Mama muss sich kümmern. Aber Steffi ist immer so bockig. Und die will sowieso nur mit Gitta. Gitta hat sie leiden können. Bei mir hat sie immer nur gebockt. Das ist doch auch nicht richtig.«
    »Und dann?«
    »Wieso?«
    »Was ist dann passier?«
    »Weiß ich doch nicht.« Bärbel ließ ihn los. »Erst heul ich, weil sie immer da ist und rumbockt, und nun heul ich, weil sie weg ist. Ist doch komisch, oder?«
    Sie sah aus, als warte sie auf eine Antwort, aber Elias fiel keine ein. Da verkrümelte sie sich wieder auf ihr Sofa, steckte die Daumenspitze in den Mund und zappte durch die Kanäle. Der Tatort interessierte sie offenbar nicht. Eigentlich hatte sie für gar nichts Interesse. Sie kriegte nicht mal mit, als nur noch Schnee über den Bildschirm rieselte. Bärbel völlig aufgelöst , notierte Elias sich gedanklich. Aber das sagte natürlich nichts aus. Man konnte seine Tochter umbringen und trotzdem bekümmert sein.
    Sein Blick ging zur Tür auf der anderen Seite des Zimmers. Hatte das bucklige Männlein an der gleichen Stelle wie er gestanden und hinübergestarrt? Wieso war es überhaupt zur Steffi gegangen?
    »Ich müsste mal mit Boris sprechen«, sagte Elias.
    Bärbel schwieg. Er fasste das als Zustimmung auf.
    Boris lag in seinem Bett, ein kleiner Bengel, die Decke bis zu den Ohren gezogen, sodass nur sein glatter, blonder Haarschopf zu sehen war. Er hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise. Na gut, dachte Elias. Morgen ist auch noch ein Tag.

Und der begann mit einer Teamsitzung. Die komplette Sonderkommission hatte sich versammelt. Harm saß oben am Tisch, neben ihm Olly. Beide äußerst professionell. Nur eine Psychologin gab es in Leer leider nicht. In Hannover hatte immer Edith mit am Tisch gesessen und ihnen Einblicke in Motive und Tatverhalten gegeben. Gut, man konnte nicht alles haben.
    Zuerst fassten sie ihre Ermittlungsergebnisse zusammen. Stefanie Coordes – ihr Bild hing inzwischen an der Wand – war dreizehn Jahre alt und von Geburt an geistig und körperlich behindert. Intelligenzmäßig befand sie sich auf dem Stand einer Sechsjährigen, außerdem hatte sie Rheuma und war deswegen an einen Rollstuhl gefesselt. Der Besuch eines Kindergartens oder einer Schule war nicht möglich gewesen, weil sie sich verweigert hatte. Aber die Familie hatte sich vorbildlich um sie gekümmert.
    Sarkastischer Einwurf von Olly: »Sagt die Familie.«
    »Und die Nachbarn!«, bemerkte Krayenborg, der das alles herausgefunden hatte, in scharfem Ton. Offenbar mochte er die Coordes-Leute.
    Harm nickte und zeigte mit seinem Laserpointer auf das Foto von Bärbel. Die war, wie sie ja wussten, geistig ebenfalls nicht ganz auf der Höhe, hatte allerdings zwischendurch immer mal wieder gearbeitet.
    Boris – der Pointer wanderte weiter auf das schmale, etwas verschlafen aussehende Gesicht des Jungen – war ein normal entwickeltes Kind. Gitta bewirtschaftete mit der Oma und Bärbel zusammen den Biobauernhof. Sie verkauften Eier und Gemüse, und im Sommer vermieteten sie auch mal die Scheune an Heu-Urlauber. War eine Menge Arbeit, die offenbar vor allem an Gitta hängen blieb.
    »Aber die Frau gibt nicht auf. Das ist ostfriesische Zähigkeit. Damit ist dieses Land groß geworden«, sagte Ulf.
    »Wie sieht es mit den Futterlieferanten von Gitta aus?«, wollte Harm wissen.
    Alle schwiegen.
    »Elias?«
    »Bitte?« Elias sah überrascht auf. Er hatte gerade darüber nachgedacht, wie sich die ostfriesische Zähigkeit auswirkte, wenn man Biogemüse beackern und Heu-Urlaubern – was war das überhaupt? – Frühstück servieren musste und dann die bockige Steffi vor die Füße bekam. Wurde das Mädchen hin und her geschubst zwischen Mutter und Tante? Angebrüllt? Genervt an Boris oder die Oma abgeschoben? Alles möglich.
    »Die Futterlieferanten«, sagte Harm. »Du wolltest Gittas Alibi überprüfen.«
    Verdammt, das hatte er verschwitzt. »Ich setz mich dran«,

Weitere Kostenlose Bücher