Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
ganz schön verwirrt gewesen.
Sie umrundeten den Badesee, liefen eine Straße hinauf und dann über die Bahngleise zur Bundesstraße und zum Kiosk. Elias spendierte Boris ein Eis, in der Hoffnung, sein Vertrauen zu erkaufen. Dass Geschenke das Gefälligsein fördern, hatte man ja schon bis in die Spitzen der deutschen Politik erkannt. Auch bei Boris tat es seine Wirkung. Er rückte ein bisschen an Elias heran, sodass sein Ellbogen beim Laufen an Elias’ Hüfte rumpelte.
»Jetzt erzähl mal alles«, sagte Elias. »Du hast was gesehen, oder?«
Und da ließ Boris die Bombe platzen.
»Er hat das tatsächlich gesehen? Mit eigenen Augen? Und es war nicht nur so ’n Kinderblabla von ihm, um Aufmerksamkeit zu erregen?«, fragte Harm.
»Er hat’s gesehen!«
Es war halb neun. Keiner vom Team arbeitete mehr, selbst Harm hatte er noch gerade eben so auf dem Parkplatz erwischt. Sein Chef hatte ihn zu sich ins Auto geholt, und nun düsten sie mit Tempo weitübererlaubt zu Ollys Haus, das sich autistisch in das ostfriesische Plattland schmiegte.
Olly war nicht da.
Dachten sie jedenfalls, bis sie sie hinterm Haus auf dem eingezäunten Stück Land entdeckten, das sie euphemistisch als ihren Garten bezeichnete. Sie trug eine an den Knien abgeschnittene Jeans und ein dreckiges, viel zu großes T -Shirt mit einer Guy-Fawkes-Maske drauf und buddelte, was das Zeug hielt. Ihr Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der ihr wie ein leuchtender Pinsel vom Kopf stand.
Elias verspürte plötzlich ein heftiges, zärtliches Gefühl. Olly würde den Garten niemals in Ordnung bekommen, ganz einfach, weil sie keine Ahnung von Pflanzen hatte. Von Hausreparaturen verstand sie auch nichts. Umso mehr rührte es ihn, wie tapfer sie sich den Widrigkeiten stellte, die der Besitz ihr aufbürdete.
Sie trugen die Gartenstühle auf die Wiese, und Olly deutete auf den Abendhimmel und sagte, wie schön dieser Anblick sei, gerade nach der Zeit in Düsseldorf.
»Wieso? Sind doch nix als Regenwolken«, wunderte sich Harm.
»Das meine ich ja. Pflanzen brauchen Wasser. Als Landmensch haste einen besonderen Blick auf die Natur, Harm. Regen ist Leben. Sonnenschein ist dir eher was wie ein natürlicher Feind.«
Sie setzten sich auf die Gartenstühle und besprachen das Unglaubliche. Ja, Boris hatte gesehen, wie Steffi entführt wurde.
»Er hat’s gesehen«, echote Olly so glücklich, wie es nur ein Staatsanwalt sein kann, dem man unerwartet einen Zeugen präsentiert. »Was genau?«
Elias zog seinen Haftnotizblock heraus, den er mit Stichworten bekritzelt hatte, bevor er den coordesschen Hof verlassen hatte. Nur keine Details vergessen! »Also, es war abends. Ziemlich spät schon. Auf jeden Fall dunkel.«
»Dann so gegen elf?«
»Könnte hinkommen. Boris hatte mit Bärbel einen Trickfilm gesehen und dann in seinem Zimmer ein Buch gelesen.«
»Ein Buch?«, unterbrach Olly ihn.
Elias schaute nach. » Die drei Fragezeichen und der verschollene Pilot .«
»Quatsch«, sagte Olly. »Kinder lesen heutzutage keine Bücher mehr. Die spielen mit einer Wiiiiie, oder wie die Dinger heißen, Soldaten killen. Ich weiß Bescheid. Die Käsköppe haben zu Dutzenden bei mir im Gericht gesessen.«
»Olly«, sagte Harm, »dein Beruf tut dir nicht gut. Er beschert dir eine negative Weltsicht.«
»Weltsicht hin oder her: Wenn ich ’nen Zeugen hab, dann soll er mich nicht auf den Arm nehmen.«
Elias versprach, sich in das Buch einzulesen und nachzuhaken, ob Boris den Inhalt kannte, und da wurde Olly wieder ruhiger. »Wir müssen argwöhnisch sein«, meinte sie. »Und was weiter?«
»Boris hat also gelesen und seine Mutter wohl ferngesehen, das konnte er nicht mit Gewissheit sagen. Jedenfalls ist die Flimmerkiste gelaufen. Aber …«, Elias blickte auf einen weiteren Haftklebezettel, »… die läuft sowieso immer, die Flimmerkiste. Boris steht auf und blickt in den finsteren Hof, warum, weiß er selbst nicht, und plötzlich wird die Schubkarre um die Ecke geschoben. Er kann nicht genau erkennen, was drin ist, aber für ihn sieht es aus wie ein Mensch. Er hat Beine raushängen sehen. Und da hat er sich schnell weggedreht, weil er es mit der Angst zu tun gekriegt hat.«
»Hat er nicht an Steffi gedacht?«
»Nee«, sagte Elias.
»Oder seine Mutter gerufen?«
»Wenn Bärbel nicht merkt, dass ihre Tochter noch nicht im Bett ist, dann heißt das wohl, dass sie nicht die erste Anlaufstelle für Probleme ist. Und Gitta war ja fort. Und die Großeltern wahrscheinlich
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