Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
sie sich in der Stube begegnet waren und sie ihn wie Luft behandelt hatte.
Elias konzentrierte sich und erzählte noch einmal vor versammelter Mannschaft, was Boris ihm mit dem kleckernden Eis in der Hand erzählt hatte. Danach wurde es hektisch: Gitta wurde mit Boris in die PI geladen, und der Junge musste seine Aussage vor Harm und Olly wiederholen, wo sie auch ordentlich protokolliert wurde. Boris war dabei weiß wie Wachs. Gitta verlangte von der Staatsanwältin, dass sie ihre Leute endlich auf Trab brachte und dafür sorgte, dass sie sich den Kerl, den Kindermörder, krallten.
»Sachte, sachte«, sagte Olly, »da muss jetzt erst mal einiges gecheckt werden.« Aber sie war schon halb auf dem Sprung, den Haftbefehl anzufordern. Und Harm wäre am liebsten im selben Augenblick losgerannt, um ihn zu vollstrecken.
Doch sie wurden mitten im Schwung ausgebremst. Fast das komplette Team wurde nämlich von einer plötzlichen Krankheitsattacke gepackt, die sich in Erbrechen und ausgedehnten Sitzungen auf dem Klo mit schmerzhaften Darmkoliken äußerte. Jemand musste den Virus ins Kommissariat getragen und mit seinem Händedruck ruck, zuck über die gesamte Abteilung verteilt haben. Ein Turbovirus mit zehn Sekunden Inkubationszeit.
»Kein Mensch kann denken, wenn er dermaßen die Scheißerei hat«, sagte Harm und schickte seine Leute im Viertelstundentakt nach Hause, bis es ihn auch selbst erwischte. Nur Sven und Elias blieben wie durch ein Wunder verschont. Sven vielleicht, weil die Bakterien nicht begriffen, dass in seiner bewegungslosen Hülle ein lebendiges Wesen steckte, und Elias wurde sowieso nie krank. Er hatte als Kind täglich Lebertran trinken müssen.
Harm dirigierte die beiden Resistenten von zu Hause aus, denn sie waren ja nun mal gerade in einer intensiven Phase, und irgendjemand musste aus Sören das Alibi rauskitzeln und es am besten gleich zertrümmern. »Ihr fahrt hin und verhört ihn«, ordnete er mit matter Stimme an, während im Hintergrund die Klospülung rauschte.
»Und wie steht’s mit dem Verhaften? Von wegen Verdunklungsgefahr?«, fragte Elias.
»Ich weiß nicht, ich habe da ein mulmiges Gefühl. Ich muss nochmal nachdenken«, sagte Harm und brach die Verbindung abrupt ab. Elias dankte dem Lebertran seiner Kindheit, packte sich Sven, und sie machten sich gemeinsam auf den Weg.
Auf der Fahrt nach Emden klingelte Elias’ Smartphone. Er langte danach, aber Sven, obwohl in einem komaähnlichen Zustand, reagierte wie ein professioneller Bulle, indem er es an sich riss und routiniert Elias’ Hand abwehrte.
»Hm?«, meldete er sich. Ohne die Augen zu öffnen, gab er noch weitere Hms von sich und ließ das Smartphone schließlich zwischen seine Oberschenkel gleiten. Elias fischte es wieder hervor, doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Nach dreißig Sekunden klingelte es erneut.
»Ja, Mama?«, fragte Elias.
Er musste sich einiges anhören, von wegen wann er verlernt habe, wie man am Telefon ordentlich grüßt. Da seine Mutter Redepausen zwecks Beantwortung ihrer Fragen ja nicht schätzte, beschränkte Elias sich darauf, zu lauschen und all die Kriecher zu überholen, die ihm den Weg zu seinem Hauptverdächtigen versperrten.
»Und könntest du mich bei Gelegenheit wissen lassen, wann du deine Mutter endlich wieder einmal zu besuchen gedenkst?« Jetzt machte sie doch eine Pause.
»Du weißt schon, die Arbeit«, murmelte Elias, während ein Vogel an seiner Windschutzscheibe vorbeisauste.
»Ach, deine ungeheuer wichtige Arbeit lässt dir also kein Stündchen, um bei deiner Mama hineinzuschauen«, erkundigte seine Mutter sich spitz.
»Na, da kommt ja noch der Weg zu. Der frisst die meiste Zeit.« Elias stellte das Smartphone auf Mittellaut, legte es auf der Konsole ab und konzentrierte sich auf den Verkehr. Als seine Mutter verstummte, hob er es wieder ans Ohr. »Bitte? Das Letzte hab ich nicht richtig mitgekriegt.«
»Ich sagte«, erklärte seine Mutter gereizt, »dass ich verstehen kann, wenn du auf Günther eifersüchtig bist.«
Günther?
»Aber dein Papa ist jetzt seit acht Jahren tot, und ich führe schließlich auch noch ein eigenes Leben, was Kinder ja gern vergessen. Vierunddreißig Jahre, die besten meines Lebens, habe ich dir und deiner Erziehung gewidmet …«
»Weiß schon, Mama«, sagte Elias, plötzlich ganz konzentrierte Aufmerksamkeit. Wer war Günther?
»Aber irgendwann muss ich auch an mich denken. Alle Kinder sind eifersüchtig, wenn ihre verwitweten Eltern
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