Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
aus einer Businesswerbung. Um die vierzig, dunkler Anzug mit lila Hemd, am Garderobenhaken ein schicker schwarzer Wollmantel. Dazu eine Sekretärin mit kurzem Rock und langen Beinen, eine Espressomaschine in Großkantinendimension, und durch das Bürofenster hatte er einen freien Blick über die City – was in Emden allerdings nicht viel hermachte, von wegen Niedrigbebauung und so. Größtenteils sah man auf das Flachdach einer Garage, das von den Vögeln der Umgebung als Klo benutzt wurde.
Harm fragte nach dem Alibi für die Nacht, in der Steffi verschwunden war, aber da stellte der Mann sich stur. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen, und da könne ja jeder kommen, und man lebe schließlich in einem Rechtsstaat …
Harm holte provozierend langsam einen Block hervor und notierte, dass der Befragte die Aussage betreffs seines Alibis verweigere. Zweimal fragte er nach, ob Sören es sich nicht noch einmal überlegen wolle, aber der Biogasanlagenbauer blickte hochnäsig auf das Vogelklo. Dann wollte Harm wissen, wo er die Schubkarre normalerweise aufbewahre. Sören pampte ihn an, dass er nicht über den Aufbewahrungsort jedes einzelnen Gartengeräts Protokoll führe, und Himmel, er bewohne den Hof doch gar nicht mehr, auch privat nicht. Er sei Geschäftsmann, und seine Ambitionen ein bisschen weiter gespannt als bis zum nächsten Misthaufen.
Harm ging in den Flur zum Telefonieren. Elias ahnte, dass er bei Olly anrief, weil ihn die Sache mit dem Alibi störte. Wenn jemand einen Menschen entführt oder gar umbringt, dann sorgt er ja in der Regel dafür, dass er eines hat, und wenn er keines hat, dann überlegt er sich vorher, wie er das glaubhaft machen kann. Wenn also ein Verdächtiger einfach nicht mit der Sprache rausrücken will, obwohl er Zeit zum Nachdenken hatte, macht das einen Kripomenschen stutzig. Es könnte ein ekliger kleiner Hinweis auf Unschuld sein. Und Harm wollte sein Pulver natürlich nicht frühzeitig verschießen.
»Warum haben Sie denn die Katze und die Hühner an die Stallwand genagelt?«, fragte Elias.
»Ach, das soll auch ich gewesen sein? Herrgott, die Zicke leidet ja unter Verfolgungswahn! Die ist so gaga … die gehört in eine Anstalt! Im Übrigen hätte ihre komische Nichte da auch hingemusst. War ja ekelhaft, das ständige Geplärre. Nicht, dass ich was gegen Behinderte habe, aber man muss das doch nicht so zur Schau stellen. Da gibt’s schließlich Heime! Aber das geht alles in die gleiche Richtung bei Gitta Coordes. Der Ökoscheiß, das Mädchen …« Sören redete und fuchtelte mit den Händen.
Er war nun schon der zweite Mann, der Gitta Coordes auf mieseste Art niedermachte, und Elias merkte, wie ihn das allmählich aufzuregen begann. Gut, er musste natürlich trotzdem kühl bleiben. Alles notieren, ansonsten schweigen und sich auf keinen Fall provozieren lassen, hätte Harm gemeint. Dafür war er Profi.
»Wenn ich Sie reden höre«, erklärte er, »könnte mir glatt das Kotzen kommen.«
Harm erklärte später im Auto, menschlich gesehen habe er mit diesem Kommentar den Nagel auf den Kopf getroffen und er solle sich wegen der Konsequenzen, die Sören ihm angedroht hatte, keine Gedanken machen, nur vielleicht in Zukunft die Stopplinie im Kopf beachten.
»Kommunikation ist nicht mein Ding«, sagte Elias.
»Hm«, meinte Harm. Er hatte mit der Staatsanwaltschaft, also mit Olly, abgemacht, dass sie Sören van Doom gründlich unter die Lupe nehmen würden, bevor sie ihn festsetzten. Sie würden ihm ganz professionell das Leben auf den Kopf stellen: die Verwandtschaft und die Sekretärin vernehmen, Hausdurchsuchung – das volle Programm. Und dann würde man schon sehen, wo Sören die Nacht zugebracht hatte, in der Steffi verschwunden war.
Im Eingangsbereich der PI trafen sie auf Reinert, Ulf und Hedda, die sich bereits illegal ein bisschen den Hof von Sören angesehen, aber nichts gefunden hatten, was darauf hindeuten könnte, dass Steffi dort gewesen sei.
»Gitta ist völlig außer sich«, erklärte Hedda, »und Oma Inse weint die ganze Zeit. Diese verdammte Strickjacke! Steffi hat sie an dem Tag getragen, als sie verschwunden ist. Das hat uns Bärbel erzählt.«
»Was aber nichts heißt«, meinte Reinert. »Das schreckliche Weib hat ja nicht mal mitgekriegt, wann genau die Lüttje fort ist. Vielleicht hat sie sich nur was zusammengefaselt?« Aber sie dachten trotzdem alle dasselbe: Das Mädchen ist tot.
Um sich aufzumuntern, beschlossen sie, ihr Mittagessen gemeinsam
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