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Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Levke Winter
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schlanken Hals des Gockels zu legen. Das zarte Beben unter den Fingern … was war das für eine Wonne.
    Irgendwann zwischen zwei und drei Uhr morgens stürmte Olly in sein Zimmer. In ihrem Temperament ähnelte sie dabei King Kong. Sie sprang auf sein Bett, packte ihn am Kragen seines Baumwollpyjamas, schüttelte ihn durch und krächzte heiser: »Wo steckt er?«
    Zum Glück war Elias geistesgegenwärtig genug, ein argloses »Wer?« hervorzustoßen.
    »King Kong natürlich. Sag schon!«
    Als typischer Bulle ließ er sie im Ungewissen und fragte: »Soll ich ihn suchen?«
    »Ich rat’s dir«, zischte sie.
    Er bat sie hinaus, tat ein bisschen beleidigt, um sie weiter zu verwirren, und stieg in seine Klamotten. Den Weg nach draußen nahm er durch das Fenster und ein Rankgitter hinab, denn Olly war misstrauisch wie der Teufel, und er wollte sie auf keinen Fall noch mehr verärgern.
    Hastig stieg er ins Auto und drehte den Zündschlüssel. Er musste sich natürlich beeilen, denn Olly ging sicher nicht schlafen, bevor er ihr ein Ergebnis geliefert hatte. So raste er über die Landstraße, über die A 31, wieder über eine Landstraße, dann über einen Feldweg, um den Weg abzukürzen … Kurz vor Neermoor, er fuhr etwa hundertsiebzig, blitzte es am Straßenrand grell auf. Mist!
    In rekordverdächtiger Zeit erreichte er zum zweiten Mal in dieser Nacht den Hof der Familie Coordes. Er stieg in die Bremsen, raffte den Sack an sich, der immer noch hinten auf der Rückbank lag, und schlich gebückt wie ein Partisan durch die Dunkelheit. Das Walmdachhaus des Bayern, das er dabei passierte, lag in idyllischer Ruhe. Sörens Scheune ebenfalls. Der Wind hatte den Gestank nach Gammelfleisch vertrieben.
    Elias erreichte Oma Inses Garten. Er öffnete das Gartentürchen und näherte sich dem Hühnerstall, dessen Türchen weit offen stand. »Komm her, du kleiner Dreckskerl … tock tock tock tock tock …«, lockte er mit schmeichelnder Knusperhäuschenhexenstimme das verdammte Mistvieh, das er doch gerade erst losgeworden war.
    Er wunderte sich nicht, als alles still blieb. King Kong war ja kein Anfänger, was den Guerillakrieg betraf. Geräuschlos arbeitete Elias sich voran. Es konnte sein, dass der Hahn gemütlich auf einer Stange im Stall schlief, aber daran glaubte er nicht. Misstrauisch äugte er hinter die Felsblöcke, die Oma Inse dekorativ an der Mauer verteilt hatte. Er stocherte mit einem Ast in einem aus Latten zusammengezimmerten Kompostbehälter. Er lugte hinter Büsche und bog hochwüchsige Pflanzen auseinander. Und das alles mit klopfendem Herzen, weil er förmlich fühlte, dass das hinterhältige Biest irgendwo lauerte und ihn beobachtete. »Komm, King Kong … tock tock tock … Komm, du Filzlausträger … du fettes, feines Chicken McNugget … tock tock tock …«
    Ihm war, als bohrten sich plötzlich Blicke tief in seinen Rücken hinein. Er fuhr herum, das Gesicht durch die Hände geschützt. Nichts.
    Oder doch?
    Lautlos pirschte er Schritt für Schritt voran, bis er Opa Bartels Fenster erreichte. Dort richtete er sich auf, drückte die Nase an der Scheibe platt, und … o Himmel, o gütige Jungfrau … Opa Bartel starrte ihn an. Sein Kopf lag, mit dem Gesicht zum Fenster, auf dem Kissen. Seine Augen leuchteten weiß wie in einem Horrorfilm von Stephen King, was ja eigentlich gar nicht sein konnte, denn das Zimmer lag im Dunkeln, und lichttechnisch war es komplett unmöglich, dass er Opa Bartel sehen konnte, aber trotzdem glitzerten ihn die Augen an.
    Elias ließ sich auf den Boden plumpsen, dann machte er, dass er aus dem Garten kam. Natürlich fragte er sich, ob der alte Herr ihn erkannt hatte, und wenn ja, wie es tatsächlich um Opa Bartels Fähigkeit stand, sich mitzuteilen. Falls sie besser als gedacht war, wie ließe sich dann sein eigener Aufenthalt in diesem Garten erklären, nachts um vier?
    Er zog das Gartentürchen hinter sich zu. Was nun? Nach Hause fahren und Olly beichten, dass ihm bei King Kong die Nerven durchgegangen waren? Mildernde Umstände geltend machen? Auf ihr gutes Herz hoffen?
    Aber dann war das alles plötzlich gar nicht mehr wichtig. Denn es würde sie umhauen, wenn er ihr das andere erzählte, was er gerade eben im Hof beobachtete, wie versteinert, weil er es einfach nicht fassen konnte: Auf den Pflastersteinen, im Licht des weißen Mondes, stand das bucklige Männlein.
    Ich denke an nichts, Olly, schoss es ihm durch den Kopf, während sein Herz wild an seine Rippen schlug, außer dass ich

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