Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
feinen Ohr für Kritik an.
»Jau«, sagte Hedda, und damit war zumindest dieser Punkt erledigt, denn Harm konnte sich ja nicht gut selbst rausschmeißen. Dafür hängte er sich voll in die Ermittlungen. Hedda und Reinert sollten Büttners Nachbarschaft ausfragen. »Aber diskret, Leute, es ist ja nur ein Anfangsverdacht.«
Koort-Eike sollte sich online schlaumachen, was es über Franz’ Vergangenheit zu wissen gab. Er selbst wollte mit Elias, also dem Profiler der K 1, den Verdächtigen vernehmen.
»Elias ist kein Profiler, sondern Fallanalytiker«, sagte Olly, die noch das Auto geparkt hatte und deshalb erst bei diesem letzten Satz in Harms Büro kam.
»Weiß ich doch, aber trotzdem: Er hatte die richtige Nase, was Franz Büttner angeht.«
Elias wollte einwenden, dass das mit Franz und Sören ja gar nicht sicher sei, aber Harm ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Los, Mann. Wir haben’s eilig.«
Olly stellte sich ihnen in den Weg. »Was habt ihr denn vor mit Franz Büttner?«, fragte sie argwöhnisch.
»Er ist eine Spur, und die werde ich verfolgen. Auch wenn du die Ermittlungen leitest, wüsste ich nicht, dass du mir jeden Schritt vorschreiben kannst«, sagte Harm bockig.
»Warst du das mit der Zeitung?«
»Hm?«
»Es stinkt mir, was ich heute Morgen beim Kaffee über Pädophile gelesen habe.«
»Das waren die vom Betrug«, blaffte Harm.
»Na schön, aber du hast den Gedanken aufgebracht. Und noch mal, fürs Protokoll: Ich bin die Staatsanwaltschaft. Und wenn du Büttner vernimmst, dann will ich dabei sein. Um sicherzustellen, dass er nicht eingeschüchtert wird.«
»Sind wir jetzt so miteinander?«
»Sind wir«, sagte Olly, »und du kannst froh sein, dass ich zu korrekt bin, um mich provozieren zu lassen.«
»Na, dann bitte schön, los«, knirschte Harm.
»Dann danke schön, jawohl«, knirschte Olly.
Da sie sowieso schon in Neermoor waren, wollte Harm zunächst einmal bei Familie Coordes vorbeischauen, um sie hinsichtlich des Verhältnisses ihrer verschwundenen Nichte/Enkeltochter zum Nachbarn Franz Büttner zu vernehmen. Die Sonne schien, und Gitta saß wieder hinter ihrem Holztisch mit den Eiern, dem Frühgemüse und den ersten Erdbeeren. Ihr Gesicht war verhärmt und um die Augen aufgequollen, was für langes Weinen sprach.
»Leute weinen auch, wenn sie etwas Schlimmes getan haben oder von was Schlimmem wissen, was sie nicht preisgeben wollen«, brummelte Olly, entschlossen, sich durch Gittas Kummer nicht erweichen zu lassen. »Ich würde sagen, Gitta ist klar, dass Bärbel Steffi umgebracht hat. Vielleicht aus Eifersucht, weil die Kinder die Tante lieber mochten als die eigene Mutter.«
Daran hatte Elias ja auch schon gedacht.
Ein Kunde, ein Tourist aus Herne, den das Straßenschild mit dem Hinweis auf frisches Obst angelockt hatte, stand vor Gitta und wollte ein Pfund Erdbeeren haben oder auch zwei, wenn sie wirklich vom selben Tag waren. Gitta reichte ihm eine Dutzendpackung Eier. Nach einem Augenblick verlegenen Wartens nahm Elias ihm die Eier wieder ab, reichte ihm einen Korb Erdbeeren und sortierte das Geld in Gittas Kasse. Er nahm die Kasse an sich, als Gitta aufstand, um sie ins Haus zu bitten, und trug sie ihr hinterher.
In ihrer Wohnung holte Gitta erst mal eine Flasche Gorbatschow aus dem Schrank, trank ein paar Schlucke, stellte sie ins Fach zurück und sackte aufs Sofa. »Ich vermisse sie. Ich vermiss die beiden. Ist das nicht komisch?« Sie lachte, obwohl an ihrer Sehnsucht ja rein gar nichts komisch war. »Hundertmal hab ich mir ausgemalt, wie mein Leben ohne meine verdammte nervige Schwester wäre und ohne Steffi, die ewig was wollte und heulte, weil sie Schmerzen hatte, aber ihre Medikamente ausspuckte und in die Hose machte, wenn ich sie deshalb ausgeschimpft habe. Mit Absicht! Und Bärbel hat nichts getan, um mir zu helfen. Ich sag: ›Bärbel, leg ihr die DVD ein, wenn ich weg bin, damit sie Ruhe hält‹, aber Bärbel tut das natürlich nicht. Stattdessen sieht sie seelenruhig zu, wie Steffi mit dem Rollstuhl rausfährt. Und dann ist Steffi runter zum Badesee, ertrinkt fast, und ich krieg mich nicht mehr ein vor Vorwürfen und Heulen. Aber Bärbel meckert nur, dass ich mit Steffi nicht schimpfen darf, weil sie das alles gar nicht versteht …« Gittas Blick war in eine freudlose Vergangenheit gerichtet, sie sah plötzlich so alt aus wie ihre Mutter.
Olly signalisierte Elias und Harm mit diskret hochgezogenen Augenbrauen, dass Gitta gerade sozusagen ihr Motiv eingestanden
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