Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
ich eigentlich erwartet?
Um mich abzulenken, bummle ich ein wenig durch die Königstraße, bevor ich mich wieder auf den Heimweg mache. Es gibt so viele schöne Geschäfte hier, und der große Breuninger ist ein wahres Einkaufs-Paradies. Da könnten die Römfeld-Damen ihre vielen Designer-Klamotten und -Handtaschen erstehen. Für mich sind diese leider unerschwinglich, aber es gibt auch hübsche Sachen in meiner Preisklasse. Blöderweise vergleiche ich alles, was ich sehe, mit dem grünen Kleid in Überlingen. Verflixt, warum habe ich es eigentlich immer noch nicht gekauft? Bestimmt ist es schon weg. Aber ein paar schöne Schuhe erstehe ich, in Kirschrot (Ich weiß zwar noch nicht, wozu sie passen sollen, aber sie sind so schön und müssen mit.) und eine bestickte Handtasche. Aus der Stadt heraus herrscht Feierabendverkehr, und der Rückweg dauert länger als der Hinweg. Zu Hause werde ich schon von Nini erwartet, die sich riesig über das Top freut und es gleich anzieht.
Gerade will ich zum Telefonhörer greifen, um Leon anzurufen, der die ganze Woche ja auch sehr beschäftigt war, als das Telefon bereits klingelt. Es ist Herr Aschenbrenner aus Mallorca, und das Herz rutscht mir in die Hose.
*
»So, so, Sie sind also krank?«, bellt er ins Telefon. »Wieso kann ich Sie dann den ganzen Tag nicht erreichen?«
Hilfe! Was sag’ ich jetzt bloß? Mal ordentlich räuspern und dann ein bisschen die Stimme verstellen.
»Ja, ich war leider den ganzen Tag im Bett«, nuschle ich leise ins Telefon. Hüstel, hüstel und ein bisschen die Nase zuhalten, dann glaubt er mir das schon. »So was Dummes. Ausgerechnet, wenn ich mal nicht da bin. Da muss ich wohl vorzeitig zurückkommen«, schimpft er weiter. O nein, alles, nur das nicht. »Tut mir auch wirklich sehr leid, Herr Aschenbrenner«, flüstere ich, als verließe mich die Stimme.
»Aber ich habe alle wichtigen Dinge erledigt und dachte, ich kuriere mich über das Wochenende aus, dann bin ich am Montag wieder fit. Deshalb brauchen Sie doch nicht zurückzukommen. Montag bin ich auf jeden Fall im Büro«, verspreche ich.
»So, so«, meint er daraufhin, »na gut. Wenn es Ihnen aber am Sonntag nicht besser geht, rufen Sie bitte an. Dann komme ich zurück und verschiebe meine Termine hier. Übrigens, wie war denn der Termin mit Hans Beirer?« Schluck.
Ich täusche einen Hustenanfall vor, um Zeit zum Überlegen zu haben.
»Jaa, der Termin … war gar nicht schlecht, … gefiel ihm ganz gut. Aber ich habe inzwischen jemanden dort am Objekt getroffen, der mir sagte, die Immobilie würde wohl an einen Freund der Familie verkauft werden.« Ich bereue die Worte, kaum, dass ich sie ausgesprochen habe. Das ist mein Tod, ich weiß es. Wie soll ich je aus dieser Nummer herauskommen?
»Waaaaaaas? Das ist ja das Allerneueste. An einen Freund der Familie … Ich denke, wir sollen es verkaufen? Hoffentlich hat da nicht die dicke Schorg die Finger im Spiel. Na gut, ich hab hier ein paar wichtigere Projekte, aber ich werde mich darum kümmern, wenn ich zurück bin, und diesem Anwalt in Stuttgart mal auf den Zahn fühlen.«
Herr Aschenbrenner fragt noch nach ein paar weiteren Projekten und dem Flyer, und ich erzähle ihm, ich hätte ein paar Entwürfe an seine E-Mail-Adresse geschickt. Dann werden die feuchtfröhlichen Stimmen in seinem Hintergrund lauter, und er beendet das Gespräch ohne Gruß und ohne ›Gute Besserung‹zu wünschen, aber so ist er nun einmal. Ich bin völlig fertig. Wie konnte ich mich nur zu so etwas hinreißen lassen? Wieso habe ich mich nur so in diese Idee verrannt? Den ganzen Abend grüble ich herum und bemerke nicht einmal, dass Leon sich gar nicht gemeldet hat. Am nächsten Morgen ruft er an und lädt mich für den Abend ins ›Rosmarin‹ ein. Das klingt gut, obwohl er sich nicht entschuldigt hat, dass er sich nicht gemeldet hat. Aber ich habe im Moment wirklich andere Sorgen und kann mir nicht auch noch darüber Gedanken machen.
Da Ninis Mathearbeit offenbar gut gelaufen ist (jedenfalls behauptet sie, sie hätte ein ›gutes Gefühl‹), löse ich mein Versprechen ein und fahre mit ihr nach Konstanz. Der Tag ist schön, aber die Luft ist noch kühl, da es über Nacht geregnet hat. Wir sitzen auf der Fähre von Meersburg nach Konstanz und halten die Nasen in den Wind. Von unserem Platz am Oberdeck sehen wir Meersburg immer kleiner werden, und ich beobachte, wie Ninis Blick in die Richtung der Häuser geht, die am Hang stehen.
»Na, meine Süße.
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