Butterbrot
Pause machen, um dann voller Wärme in der Stimme zu sagen: »Nie wieder anders, lieber Freund - nie wieder anders!« Stefan wird lächelnd nicken, und dann werden sie sich gegenseitig mit ihren bauchigen Armagnacschwenkern zugrüßen und einen Schluck auf die Freiheit des Mannes trinken.
Stefan wird auf die heruntergebrannte Glut zwei, drei neue Scheite legen, und dann wird Peter fragen: »Und
- hast du etwas von unserem verliebten Casanova gehört?«
Stefan wird müde lächeln und sagen: »Ja, Peter-habe ich - sie werden ihn morgen in einem Zinksarg nach Hause schicken. Es war einfach zuviel für ihn - es war einfach zuviel!«
Versonnen wird Peter dann in das wiederauflebende Feuer blicken und murmeln: »Ein armer Kerl - er hat geglaubt, die Welt sei doch flach - was?!«
»Tja« - sagt dann Stefan, und nach einer Weile der Gedanken werden sie ihre Gläser heben und leise sagen:
»Auf Martin.«
»Auf Martin«, wird das Echo der Stille flüstern, und dann werde ich vergessen sein für immer!
Ja - so wird es sein und nicht anders. Am besten ist, ich zahle jetzt und suche mir einen stillen Seitenkanal, in den ich mich ohne viel Aufhebens versenken kann. Als ich eben den Ober herbeiwinken wollte, sah ich Ingrid Bergman über den Platz gehen.
Also ich muß gestehen, daß ich extrem kurzsichtig bin und wußte, daß das nicht Ingrid sein konnte - aber die Silhouette der Frau, die die Tauben zum Flattern brachte, hatte berückende Ähnlichkeit mit ihr. Im Näherkommen stellte ich fest, daß im Schwung ihrer Hüften auch ein Schuß Sophia vorhanden war, was dem Ganzen eine atemberaubende Spannung verlieh. Das strahlende, erlösende Lächeln, das langsam in meinen verweinten Augen an Schärfe gewann, war luftig und leicht wie ein Eiswürfel in einem warm gewordenen Campari, und ihre schönen, braunen Beine in ihren hellen Schuhen zauberten einen schwindligmachenden Akzent zu ihrem hellblauen Kleid -»Martin«, rief die Erscheinung und fiel mir in die Arme, nachdem ich aufgesprungen und ihr entgegengelaufen war wie ein Siebzehntausend-Kilometer-Läufer dem Ziel - »Maria« - rief ich und küßte sie ohne Rücksichtnahme auf mögliche Konsequenzen -»Maria - du lebst, ja wirklich, du lebst!«
»Ich hoffe es«, lachte sie und setzte sich auf meinen Schoß, nachdem ich sie dreimal im Kreis gedreht hatte wie ein Ringelspiel seinen Lieblingssessel, »ich hoffe es sehr.«
Wie bunt und vielfältig doch alles war - nicht im
Traum hätte ich auch nur eine Sekunde mit Peter und Stefan tauschen wollen, die wahrscheinlich kotzelend mit einer Alkoholvergiftung im verrauchten Wohnzimmer die Ausgangstüre nicht mehr fanden und im anschließenden Zimmerbrand elendiglich umkamen. Maria lebte und lachte und saß mit mir im Café Florian am Markusplatz in Venedig, und der freundliche, distinguierte Herr, der auch mich schon versorgt hatte, stellte ihr einen Kaffee vor ihr Lachen und einen gut gekühlten Martini - da sie sich erst an eine Menta wagen wollte, nachdem sie bei mir gekostet hatte. »Was hast du erlebt?« - fragte ich und rückte meinen Stuhl in die Nähe ihrer Sitzgelegenheit, so daß keine Lücke mehr blieb, durch die man hätte zu Boden plumpsen können.
»Ach - viel und gar nichts«, sagte sie und schleckte ihren schaumigen Löffel wie ein schnurrendes Kätzchen ab, das eine Schüssel voll süßem Rahm am Frühstückstisch entdeckt hatte.
»Eigentlich habe ich die längste Zeit an dich gedacht«
- flüsterte sie hinter dem Rand ihrer Kaffeetasse hervor und blinzelte mir verräterisch zu. »Ist das ein Fehler?«
»Kann ich mir nicht vorstellen - noch dazu, wo ich ja auch andauernd an dich gedacht habe -«
»Lüge.«
»Nein!«
»Lüge ...«
»Also gut - nicht andauernd, aber jeder zweite Satz hat mit einem großen M begonnen.«
»M wie Martin?!«
»M wie Maria!«
»Ach so -«
»So wahr mir Gott helfe.«
»Ich glaube es dir.«
»Danke ...«
»So was trinkst du« - sagte sie dann und schnupperte neugierig an meinem Glas -
»Ja, so was trinke ich«, antwortete ich und war auf ihren Gesichtsausdruck nach dem ersten Schluck gespannt.
»Ach - das probiere ich morgen.«
»Wenn wir dann noch leben -«
»Das werden wir. Und zwar so gut wie überhaupt noch nie.«
Ein summendes Ziehen lag plötzlich in meinem Körper, und über den Moment des »Hier und Jetzt« stülpte sich eine hellrot schimmernde Kugel, in deren Mittelpunkt unsere Augen eine Umarmung erlebten wie Romeo und Julia, bevor die Vögel zu stören
Weitere Kostenlose Bücher