BY702 - Heroin in harten Händen
sich. Auf dem Flur zündete er sich eine Zigarette an, dann lief er mit elastischen Schritten die Treppen des Verwaltungsgebäudes hinunter.
Die Firma Portland Inc. hatte in den letzten Jahren eine beachtliche Größe erreicht. Heute konnte sie sich sogar einen kompletten Verwaltungstrakt leisten. Bill Carnegie war die rechte Hand des Chefs und hatte alle Vollmachten. Aber niemand vermochte genau zu sagen, worin seine Aufgabe eigentlich bestand. Im Werk tauchte er nur selten auf, immer dann, wenn es um einige ganz bestimmte Lieferungen an ganz bestimmte Adressen ging. Für das übrige Personal war er ein Rätsel. Und er selbst dachte nicht daran, irgend etwas zur Klärung dieses Rätsels beizutragen. Er war ein großer, hagerer Mann mit schmalem Gesicht, dunklem Haar und kühlen grauen Augen. Seine harte, leicht metallische Stimme gebot Distanz. Wenn er — den Kopf leicht vorgestreckt wie ein lauernder Raubvogel, ein ironisches Lächeln um die Lippen — durch die Büros ging, pflegten sofort die Gespräche zu verstummen. In den vier Jahren, die er zur Firma gehörte, hatte noch niemand gewagt, ihm neugierige Fragen zu stellen.
Unten auf der Straße blieb er einen Augenblick stehen und atmete die kühle Abendluft ein. Dann winkte er ein Taxi herbei. »Zum Red Horse Club bitte. 83. Straße.«
»Okay, Mister,« Der Taxifahrer drängte sich mit seinem Wagen in eine Lücke im Verkehrsstrom und steuerte langsam durchs Gewühl. Carnegie hatte sich ruhig zurückgelehnt. Sein Raubvogelprofil hob sich scharf gegen die Scheibe ab. Nur die Hände mit den ungewöhnlich langen Fingern, die auf das Polster des Rücksitzes trommelten, verrieten eine verhaltene Nervosität.
Vor der Bar in der 83. Straße hielt der Taxifahrer an. »Da wären wir, Mister.«
Bill Carnegie stieg aus und warf dem ' Mann einen Schein zu. »Stimmt so.«
Dann steuerte er auf das Portal zu.
Der Red Horse Club war ein Etablissement, das sich einges auf seine Exklusivität einbildete. Hier verkehrte die Gruppe der Reichen, die ihr Vermögen erst in den letzten Jahren angesammelt hatte, zum Teil durch Geschäfte, die bei weitem nicht über jeden Zweifel erhaben waren. Die City Police hatte seit langem den Verdacht, daß hier neben Maklern und Spekulanten auch einige Gangster ihren Whisky tranken. Für einen einfachen Polizeibeamten jedenfalls waren die Preise entschieden zu hoch, und der goldbetreßte Portier am Eingang ließ noch lange nicht jeden ein, der dem Klub einen Besuch abstatten wollte.
Aber als Bill Carnegie an ihm vorbeiging, tippte er respektvoll an die Mütze. »Guten Abend, Mr. Carnegie.«
»Abend!« Carnegie trat durch die Tür, die der Portier für ihn offenhielt, und schob sich durch den Samtvorhang, der das Foyer von der Bar trennte. Der lange schmale Raum lag im rötlichen Halbdämmer: eine mit silberglänzendem Kunststoff verkleidete Bartheke, rote Samtvorhänge, zahlreiche Spiegel und Kristalleuchter, in denen sich das Licht brach.
Zielsicher durchquerte Carnegie den Raum und öffnete eine Tür mit der Aufschrift: Privat.
Ein schmaler Gang lag dahinter, den nur ein paar trübe Glühbirnen beleuchteten. Carnegies Füße versanken in einem schweren dunkelbraunen Teppich. Lautlos ging er an einigen Türen vorbei bis zu der Treppe, die am Ende des Ganges steil nach oben führte. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Auf dem ersten Treppenabsatz blieb er stehen und klopfte gegen die Wand.
Er mußte einige Sekunden warten. Dann öffnete sich eine geschickt getarnte Tür, die im Halbdunkel unsicht-. bar gewesen war. Licht strömte nach draußen und beleuchtete die kurze gedrungene Gestalt eines Mannes, dessen struppiger schwarzer Vollbart ebenso eindrucksvoll war wie sein mächtiger Bauch.
»Abend, Professor Rimski«, grüßte Bill Carnegie.
»Kommen Sie rein!« forderte der Mann mit einer für seine Leibesfülle erstaunlich dünnen und asthmatischen Stimme.
Carnegie trat an ihm vorbei in einen kleinen fensterlosen Raum und blickte sich um. Drei junge Burschen hatten es sich in den abgeschabten Sesseln bequem gemacht, 'die um einen Tisch standen. Keiner von ihnen war älter als fünfundzwanzig Jahre. Jeder einzelne besaß eine Visage, die sich auf einem Steckbrief bestens gemacht hätte. Sie sahen Carnegie erwartungsvoll entgegen. Er nickte ihnen zu, dann folgte er dem Bärtigen, der ihn, offensichtlich nervös, in eine Ecke des Raumes winkte.
»Was ist los, Professor?«
»Es ist' etwas schief gegangen.« Im Flüsterton wirkte die
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