BY702 - Heroin in harten Händen
griff Carnegie in die Tasche seines Jacketts und zog ein paar zusammengefaltete Papiere hervor, die er auf dem Tisch ausbreitete.
Dann begann er, seinen Plan zu erläutern. Einen tödlichen Plan, der schon in den nächsten Tagen die ersten Opfer fordern würde.
***
Sheila Keats war erstochen worden. Man hatte ihr ein Messer in den Rücken gestoßen, dessen Klinge genau das Herz getroffen haben mußte. Als ich ihren Oberkörper anhob, sah ich die Wunde unterhalb der Schulterblätter, Der grüne Stoff ihres Abendkleides war blutdurchtränkt. Vorsichtig ließ ich den Körper des Mädchens wieder zu Boden gleiten. Wenn sie auf dem Rücken lag, verriet nur die unnatürliche Starre der Augen, daß sie nicht mehr lebte.
Ich richtete mich auf und trat ein paar Schritte zur Seite, so daß ich die Hauswand im Rücken hatte. Phils Worte klangen mir in den Ohren. »Sieht mir verdammt nach einer Falle aus!« Es sah in der Tat nach einer Falle aus. Ein Mensch, der einen Stich in den Rücken bekommt, fällt normalerweise nach vorn. Sheila Keats hatte auf dem Rücken gelegen, auffällig nahe an der einzigen Lichtquelle in diesem finsteren Hof. Ihr Mörder hatte alles sorgfältig arrangiert, so daß sie jeder, der den Hof betrat, sofort sehen mußte. Ich lehnte mich an die Hausmauer und tastete nach meinen Dienstrevolver in der Schulterhalfter. In gewissen Situationen wirkt der kurzläufige Smith and Wesson äußerst beruhigend. Wenn der Initiator dieser makabren Szene vorgehabt hatte, mich von hinten zu überfallen, so war der richtige Augenblick jedenfalls jetzt verpaßt.
Angstrengt versuchte ich, die Dunkelheit vor mir zu durchdringen. Der Schein der Glühlampe über der Tür reichte nicht weit, außerdem bot der Hof mit all seinen Mauernischen, Buden und Verschlägen genügend Schlupfwinkel. Etwa zwei Minuten wartete ich, dann löste ich mich von der Mauer und schlug einen Bogen, um den Ausgang zu ereichen, ohne mich in dem engen Lichtkreis als Zielscheibe zu präsentieren.
Zwei Yard vor dem Eisentor hörte ich ein Geräusch.
Ich fuhr herum, gerade noch rechtzeitig, um einen wuchtigen Handkantenschlag abzublocken, der auf meine Halsschlagader gezielt war. Der Kerl mußte sich lautlos wie eine Katze bewegt haben. Jetzt taumelte er einen halben Schritt zurück und riß den linken Arm hoch.
Ich sah ein Messer aufblitzen. Blitzschnell setzte ich ihm nach und bekam seinen Arm in den Griff. Gleichzeitig mit seinem Aufstöhnen hörte ich Fußgetrappel hinter mir. Es mußten mindestens zwei Angreifer sein, die mich von hinten anfielen. Einem von ihnen rammte ich den Ellenbogen zwischen die Rippen. Dann — in Sekundenschnelle — steckte ich einen Tiefschlag von dem Messerstecher ein, knickte leicht in die Knie, hörte wie durch Nebel schnelle Schritte… und dann eine wohlbekannte Stimme: »Hands up!«
Die drei Schläger waren ebensoschnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Ich kam wieder auf die Beine und versuchte, den Messerstecher zu packen — zu spät. Die Waffe klirrte' auf das Pflaster, aber er selbst war schon jenseits des Eisentors, als der erste Schuß aufpeitschte. Draußen auf der Straße heulte ein Motor auf. Ich stolperte durch die Einfahrt und sah gerade noch die Rücklichter des Wagens um die Ecke verschwinden.
»Habe ich nicht gleich gesagt, daß wir lieber zusammen fahren sollten?« fragte mein Freund Phil, der neben mir stand und immer noch den 38er Special in der Hand hielt.
»Das hast du«, bestätigte ich, immer noch außer Atem. »Wo, zum Teufel, habt ihr euren Wagen stehen?«
»Zwei Straßen weiter«, sagte Steve Dillaggio hinter mir. »Wir wollten nicht auffallen.«
»Genau wie du!« grinste Phil. »Mit dem Jaguar würden wir sie natürlich einholen. Wenn er nicht kilometerweit weg stünde. — Wo ist übrigens die Dame, die dich sprechen wollte?«
Ich wies in Richtung auf die Hintertür. »Sie ist tot.« Sheila Keats lag immer noch auf dem Pflaster, reglos, mit dem herrlichen roten Haar und dem Abendkleid so strahlend schön, als schliefe sie nur.
»Also, doch kein Lockvogel«, sagte Phil leise.
»Nein.« Ich wandte mich ab, innerlich mit mir hadernd, weil uns die drei Burschen entkommen waren. Vor meinen Füßen lag das Messer. Ich nahm ein Taschentuch und hob es vorsichtig auf. Das Licht der trüben Funzel fing sich in der langen, schmalen Klinge, Undeutlich sah ich chinesische Schriftzeichen, die in den Schaft eingeschnitzt waren. Ich trat näher an die Lampe heran. Ein paar dunkle,
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