BY702 - Heroin in harten Händen
Zuchthaus, in dem Mike O’Neill seit fünf Jahren untergebracht war, lag knapp eineinhalb Autostunden von New York entfernt in der Nähe einer verschlafenen Kleinstadt. Mit dem Jaguar schaffte ich die Strecke in gut siebzig Minuten. Dafür dauerte meine Unterhaltung mit dem Direktor des Zuchthauses fast zwei Stunden, Dann hatte er begriffen, worum es ging.
Der neue Häftling, der kurz vor meiner Ankunft eingeliefert worden war, bekam eine Sonderbehandlung. Er wurde nicht gefilzt, sondern durfte seine Zigaretten und etliche Dinge behalten. Außerdem brauchte er nicht, wie gewöhnlich, die ersten Wochen in Einzelhaft abzusitzen.
Er bekam einen Zellengenossen. Einen recht prominenten sogar. Einen langen rothaarigen Iren namens Mike O’Neill.
Einigermaßen erschöpft stieg ich gegen Mittag wieder in den Jaguar, um zurückzufahren. Mir blieb jetzt nichts anderes übrig, als abzuwarten, wann die Gangster sich zum Handeln entschließen würden. Lange konnten sie nicht warten. Denn nicht einmal ein abgebrühter selbstsicherer Syndikatsboß konnte den FBI für so dumm halten, daß er nach Sheila Keats’ Ermordung nicht sehr schnell auf die wahren Zusammenhänge stoßen würde.
Der Weg, der das etwas abgelegene Zuchthaüsgebäude mit dem Highway verband, wies entschieden mehr Schlaglöcher als Asphalt auf, und das auf mindestens sieben Meilen. Ich hatte alle Hände voll zu tun, den Jaguar in halsbrecherischen Schlangenlinien um die tiefsten Abgründe herumzusteuern. Wenn ich mich recht erinnere, war ich gerade in der Mitte eines ellenlangen Fluches angelangt, als ich die Frau bemerkte.
Sie trug ein fliederfarbenes Kostüm, hatte das Blondhaar zu einem komplizierten Lockenturm hochgesteckt und hob sich wie ein heller Farbfleck vom Hintergrund einiger verkommener Schuppen ab. Sie stand hart an der Straße, sah mir entgegen und winkte mit einem leuchtendgrünen Kopftuch.
Eigentlich hatte ich ganz und gar keine Zeit für hübsche Anhalterinnen. Aber diese Dame erkannte ich sofort. Sie war zwar nicht mehr blaß und betrunken, sondern im Gegenteil recht farbenfroh zurechtgemacht, aber unter der mondänen Larve steckte unverkennbar Jenny Rigg, das sentimentale Barmädchen aus der Blue Rose.
Ich trat auf die Bremse, brachte den Jaguar neben ihr zum Stehen und kurbelte die Scheibe herunter.
»Guten Tag, Miß Rigg.«
Sie trat einen Schritt an den Wagen heran und beugte den Kopf mit dem Turmbau aus platinblondgefärbten Locken zu mir herab. Ein Hauch von süßlichem Parfüm streifte mich, einigermaßen betäubend. Aber dafür bot die tief ausgeschnittene Bluse unter der Kostümjacke einen recht reizvollen Anblick.
»Oooh! Mr. Cotton!« flötete sie. »Was tun Sie denn hier?« Dabei verzog sich ihr Puppengesicht zu einem Lächeln des Erstaunens, eines Erstaunens, das zu schlecht gespielt war, um mich auch nur eine Sekunde zu täuschen.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte ich.
»Mein Wagen. Er streikt. Irgend etwas ist am Motor nicht in Ordnung.« Sie warf mir einen Blick zu, der wahrscheinlich treuherzig sein sollte. »Wenn Sie vielleicht einmal nachsehen könnten? Ich verstehe nämlich überhaupt nichts davon.« Sie lächelte geziert. »Dort drüben steht er. Hinter der Mauer.«
Ich hätte jetzt natürlich einfach weiterfahren können. Selbst ein vertrauensseligerer Mensch als ich mußte bemerken, daß es sich hier um eine Falle handelte. Aber ich war neugierig darauf, den Fallensteller kennenzulernen. Deshalb stieg ich aus, kurbelte die Scheibe hoch und schloß die Wagentür ab.
Als ich mich wieder umwandte, hielt Jenny Rigg eine Pistole in der Hand.
»Nimm die Hände hoch, mein Junge!« sagte sie, jetzt wieder in ihrem normalen, etwas ordinären Tonfall. »Und dreh dich mit dem Gesicht zum Wagen.«
Ich gehorchte. Dabei grinste ich innerlich. Denn vor mir in der Seitenscheibe des Jaguar spiegelte sich das gesamte Panorama. Wenn die Herren, die Jenny Rigg als Lockvogel benutzt hatten, sich aus ihren Schlupfwinkeln wagten, würde ich sie mit Sicherheit sehen. Ich stand einigermaßen gelassen da, fühlte unter der Achsel den beruhigenden Druck des 38er und konzentrierte meine Aufmerksamkeit völlig auf die Autoscheibe.
Genau das war mein Fehler.
Als Jenny Riggs Arm vorschnellte, kam dieser Angriff überraschend. Ich wollte blitzschnell herumwirbeln, aber es war bereits zu spät.
***
In dem kleinen Raum hinter der Tapetentür brannte Licht, obwohl draußen heller Tag war. Das Zimmer im Gebäude des Red Horse
Weitere Kostenlose Bücher