Byrne & Balzano 02 - Mefisto
Schritt näherte er sich der Absperrung, bis er nur noch wenige Meter von der Frau entfernt war. Über einem weißen Poloshirt mit geöffnetem Kragen trug er ein blaues Jackett von Joseph Abboud. Alles an ihm deutete darauf hin, dass er eine wichtige Person war. Er sah gut aus.
»Hi«, sagte die junge Frau.
Seth drehte sich um, als hätte er sie nicht bemerkt. Aus der Nähe betrachtet sah sie sogar noch hübscher aus. Sie trug ein taubenblaues Kleid und weiße Schuhe mit flachen Absätzen, eine Perlenkette und dazu passende Ohrringe. Sie war um die fünfundzwanzig. Die Sommersonne verlieh ihrem Haar einen goldenen Schimmer.
»Hi«, erwiderte Seth.
»Gehören Sie zur…« Sie zeigte mit der Hand auf die Crew, die Scheinwerfer, die Lautsprecherwagen, das ganze Set.
»Zur Produktion? Ja«, sagte Seth. »Ich bin der persönliche Assistent von Mr. Whitestone.«
Sie war beeindruckt. »Hey, das ist aufregend.«
Seth blickte die Straße rauf und runter. »Ja, ist es.«
»Als der andere Film gedreht wurde, war ich auch hier.«
»Mögen Sie Filme?«, fragte er und warf die Angel aus.
»Sehr«, beteuerte sie in einer etwas höheren Tonlage. »Dimensions war einer der gruseligsten Filme, den ich je gesehen habe.«
»Darf ich Sie etwas fragen?«
»Ja.«
»Und ich erwarte eine ehrliche Antwort.«
Sie streckte drei Finger in die Höhe. »Großes Indianerehrenwort.«
»Haben Sie den Schluss vorausgesehen?«
»Überhaupt nicht«, sagte sie. »Ich war total überrascht.«
Seth lächelte. »Das war die richtige Antwort. Sind Sie sicher, dass Sie nicht aus Hollywood stammen?«
»Nein, ich war wirklich überrascht. Mein Freund hat gesagt, er hätte es die ganze Zeit gewusst, aber das habe ich ihm nicht abgenommen.«
Seth runzelte dramatisch die Stirn. »Ihr Freund?«
Die junge Frau lachte. »Mein Ex-Freund.«
Diese Information nahm Seth grinsend zur Kenntnis. Es lief bestens. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen und hätte sich dann eines Besseren besonnen. So sollte es auf jeden Fall aussehen. Es funktionierte.
»Was ist?«, fragte sie und biss an.
Seth schüttelte den Kopf. »Ich wollte gerade etwas sagen, aber ich lass es lieber.«
Sie neigte den Kopf zur Seite und errötete. Wie auf ein Stichwort. »Was wollten Sie sagen?«
»Sie werden glauben, ich sei zu forsch.«
Sie lächelte. »Ich stamme aus Süd-Philadelphia. Ich glaube, damit komme ich zurecht.«
Seth ergriff ihre Hand. Sie versteifte sich nicht, und sie zog auch nicht die Hand weg. Ein gutes Zeichen. Er schaute ihr in die Augen und sagte:
»Sie haben sehr schöne Haut.«
13.
Das Rivercrest Motel war ein baufälliges Stundenhotel mit zwanzig Zimmern an der Ecke Dreiunddreißigste und Dauphin Street in West-Philadelphia, nur ein paar Straßen vom Schuylkill River entfernt. Das Motel bestand aus einem L-förmigen Erdgeschoss mit einem von Unkraut überwucherten Parkplatz und zwei defekten Wasserspendern neben der Tür des Büros. Auf dem Parkplatz standen fünf Pkws. Zwei davon auf Klötzen.
Der Geschäftsführer des Rivercrest Motels hieß Karl Stott. Ein Mann Ende fünfzig, der vor Kurzem aus Alabama zugereist war, mit den feuchten Lippen eines Alkoholikers, vernarbtem Gesicht und zwei Navy-Tattoos auf den Unterarmen. Er wohnte in einem der Motelzimmer.
Jessica führte das Verhör. Byrne stand in der Nähe und warf Stott böse Blicke zu. Dieses Zusammenspiel hatten sie vorher abgesprochen.
Um genau halb fünf traf Terry Cahill ein. Er blieb auf dem Parkplatz, beobachtete das Geschehen, machte sich Notizen und lief über das Grundstück.
»Ich glaube, diese Duschstangen wurden vor zwei Wochen installiert«, sagte Stott und zündete sich eine Zigarette an. Seine Hände zitterten leicht. Stott und die Detectives standen in dem kleinen, schäbigen Büro des Motels, in dem es nach warmer Salami roch. An den Wänden hingen Poster von einigen der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt – Independence Hall, Penn's Landing, Logan Square, das Kunstmuseum –, als wären die Gäste, die das Rivercrest Motel frequentierten, Touristen. Jessica fiel auf, dass jemand auf die Treppe des Kunstmuseums ein kleines Bild von Rocky Balboa gezeichnet hatte.
Jessica fiel ebenfalls auf, dass Karl Stott sich bereits eine Zigarette angesteckt hatte, die im Aschenbecher auf der Theke qualmte.
»Da brennt schon eine«, sagte Jessica.
»Wie bitte?«
»Sie haben sich schon eine angesteckt.« Jessica zeigte auf den Aschenbecher.
»O Gott«, rief Mr.
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