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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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das alles von Farbtupfern vereinzelter Ziergegenstände durchbrochen.
    Ich schaue mir ihre CD-Sammlung an und suche eine Platte aus den Achtzigern. Ich finde Céline Dion, Match-box 20, Enrique Iglesias, Martina McBride. Nichts, was wirklich aus dieser Zeit stammt. Dann habe ich Glück. Hinten in der Schublade finde ich Madame Butterfly in einer verstaubten Schachtel.
    Ich lege die CD in den Player und wähle den Titel Un bel di, vedremo aus. Jetzt wehen sehnsüchtige Klänge durch die Wohnung.
    Ich durchquere das Wohnzimmer und öffne die Badezimmertür. Sie wirbelt herum, ein wenig erstaunt, mich dort stehen zu sehen. Sie sieht die Kamera in meiner Hand, zögert einen Moment und lächelt dann. »Ich sehe wie eine Nutte aus.« Sie dreht sich nach rechts, dann nach links, streicht das Kleid über ihren Hüften glatt und posiert wie das Model eines Hochglanzmagazins.
    »Du sagst das, als wäre es was Schlechtes.«
    Sie kichert. Sie ist wirklich entzückend.
    »Stell dich hierhin«, sage ich und zeige auf die Bodenfliesen unmittelbar vor der Badewanne.
    Sie gehorcht und bemüht sich, für mich eine reizvolle Pose einzunehmen. »Was meinst du?«
    Ich mustere sie von oben bis unten. »Du siehst klasse aus. Du siehst aus wie ein Filmstar.«
    »Schmeichler.«
    Mit erhobener Kamera trete ich vor und versetze ihr einen leichten Stoß. Mit einem lauten Platsch fällt sie in die Badewanne. Für den Schuss muss sie triefend nass sein. Bei dem Versuch, aus der Wanne zu steigen, fuchtelt sie wild mit den Armen und strampelt mit den Beinen.
    Es gelingt ihr, sich aufzurichten – tropfnass und verständlicherweise furchtbar aufgebracht. Ich kann es ihr nicht verübeln. Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass ich darauf geachtet habe, nicht zu heißes Wasser in die Wanne laufen zu lassen. Mit wütendem Blick dreht sie sich zu mir um.
    Ich schieße ihr eine Kugel in die Brust.
    Ein schneller Schuss aus der Hüfte. Das Blut breitet sich auf dem weißen Kleid aus wie kleine rote, Segen spendende Hände.
    Einen Augenblick steht sie noch reglos da, während die Erkenntnis der Realität sich langsam auf ihrem hübschen Gesicht abzeichnet. Zuerst spiegelt sich Empörung über die Schändung in ihren Augen, dann Entsetzen über das, was ihr soeben zugestoßen ist: die abrupte, gewaltsame Beendigung ihres jungen Lebens. Ich schaue auf die mit Gewebefetzen und Blut verunzierte Jalousie hinter ihr.
    Sie rutscht an der Kachelwand hinunter, wo sie einen blutroten Schmierfilm hinterlässt, und sinkt in die Badewanne.
    Die Kamera in der einen Hand, die Waffe in der anderen trete ich mit so geschmeidigen Schritten vor, wie es mir möglich ist. Sicher nicht so geschmeidig wie bei einer professionellen Filmaufnahme, aber ich glaube, es verleiht der Situation eine gewisse Unmittelbarkeit und eine gewisse verité.
    Durch das Objektiv sehe ich, wie das Wasser sich rot färbt – ein blutroter Fisch versucht zappelnd an die Oberfläche zu gelangen. Die Kamera liebt Blut. Das Licht ist ideal.
    Ich zoome ihre Augen heran, tote weiße Augäpfel im Badewasser. Ich halte das Bild einen Moment fest und dann…
    SCHNITT.
    Ein paar Minuten später. Ich bin bereit, mein Set zu verlassen. Ich habe alles gepackt und bin startklar. Ich lasse das Intermezzo Atto Secondo von Madame Butterfly laufen. Es ist bewegend.
    Ich wische die wenigen Dinge ab, die ich berührt habe. An der Tür bleibe ich stehen und lasse den Blick über das Bühnenbild gleiten. Perfekt.
    Das war's.

18.
    Byrne überlegte, ob er ein Hemd und eine Krawatte tragen sollte, entschied sich aber dagegen. Je weniger Aufmerksamkeit er an den Orten auf sich zog, die er aufsuchen musste, desto besser. Andererseits war er nicht mehr die eindrucksvolle Gestalt, die er einst gewesen war. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht. Heute Nacht musste er klein sein. Heute Nacht musste er einer von ihnen sein.
    Für einen Polizisten gibt es nur zwei Sorten Menschen auf der Welt. Dummköpfe und Polizisten. Uns und die anderen.
    Dieser Gedanke führte ihn erneut dazu, über die Frage nachzudenken. Wieder einmal.
    Könnte er wirklich in den Ruhestand treten? Könnte er wirklich einer von denen werden? Wenn die älteren Cops, die er kannte, in ein paar Jahren in Pension gegangen waren und ein junger Streifenbeamte ihn anhielte, würde der ihn gar nicht mehr kennen. Er würde dann einer der Dummköpfe sein. Er würde dem jungen Spund sagen, wer er war und wo er gearbeitet hatte, ein paar verrückte

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