Byrne & Balzano 02 - Mefisto
würde?«
»Ja.«
Butler setzte sich wieder auf die Kante des Schreibtisches. Akademiker liebten akademische Übungen. »Gute Frage«, sagte er. »Wenn wir hier wirklich kreativ werden wollen – und der Täter im Horrorgenre bleibt, obwohl Psycho immer fälschlicherweise als Horrorfilm interpretiert wurde –, würde ich mich spontan für etwas von Dario Argento oder Lucio Fulci entscheiden. Vielleicht Herschel Gordon Lewis oder sogar die frühen Filme von George Romero.«
»Wer sind diese Leute?«
»Argento und Fulci waren Pioniere des italienischen Splatter-Kinos der Siebziger«, erklärte Terry Cahill. »Lewis und Romero waren ihre amerikanischen Pendants. George Romero ist vor allem wegen seiner Zombieserien bekannt: Die Nacht der lebenden Toten, Zombie und so weiter.«
Offenbar verfügen alle Leute über Kenntnisse, die mir fehlen, dachte Jessica. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, ihre Wissenslücken auf diesem Gebiet ein wenig zu schließen.
»Wenn Sie über Kinoverbrechen vor Tarantino sprechen wollen, würde ich mich für Peckinpah entscheiden«, fügte Butler hinzu. »Aber das ist alles reine Spekulation.«
»Warum sagen Sie das?«
»Es scheint mir hier keine erkennbare Entwicklung vorzuliegen, was den Stil oder das Motiv betrifft. Ich würde sagen, dass die Person, die Sie suchen, von Horror- oder Kriminalfilmen nicht allzu viel Ahnung hat.«
»Könnten Sie sich vorstellen, welchen Film er beim nächsten Mal auswählt?«
»Sie möchten, dass ich die Denkstrukturen eines Mörders extrapoliere?«
»Nennen wir es eine akademische Übung.«
Nigel Butler lächelte. Touché. »Ich könnte mir vorstellen, dass er einen neueren Film auswählt. Einen Film, der in den letzten fünfzehn Jahren gedreht wurde. Einen Film, den heutzutage jemand ausleihen würde.«
Jessica machte sich ein paar abschließende Notizen. »Ich bitte Sie noch einmal, im Augenblick mit niemandem über diese Sache zu sprechen.« Sie reichte ihm ihre Karte. »Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, das uns helfen könnte, können Sie mich jederzeit anrufen.«
»D'accord«, erwiderte Nigel Butler. Als er die Detectives zur Tür begleitete, fügte er hinzu: »Ich hoffe, Sie halten mich nicht für dreist, aber hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie wie eine Schauspielerin aussehen?«
Jetzt fängt der auch noch an, dachte Jessica. Wollte er sie etwa anbaggern? Mitten in diesem Fall? Sie warf Cahill einen Blick zu. Dieser verkniff sich das Lachen. »Wie bitte?«
»Ava Gardner«, sagte Butler. »Die junge Ava Gardner. Vielleicht zur Zeit von East Side, West Side.«
»Nein, nein«, sagte Jessica und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Hatte er es tatsächlich geschafft, sie in Verlegenheit zu bringen? Hör auf. »Aber danke für das Kompliment. Wir bleiben in Verbindung.«
Ava Gardner, dachte sie, als sie zu den Aufzügen ging. Also wirklich!
***
Auf dem Weg zum Roundhouse fuhren sie an Adam Kaslovs Wohnung vorbei. Jessica klingelte und klopfte. Keine Reaktion. Sie rief bei seinen beiden Arbeitsstellen an. In den letzten sechsunddreißig Stunden hatte ihn niemand gesehen. Diese Fakten reichten in Verbindung mit den anderen sicherlich aus, um einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Seine Jugendstrafe konnten sie nicht anführen, doch vielleicht war das auch gar nicht nötig. Jessica setzte Cahill bei Barnes & Nobel am Rittenhouse Square ab. Er sagte, er wolle noch ein wenig in der Buchhandlung stöbern und möglicherweise ein paar Bücher über Kinomorde kaufen, die ihnen vielleicht weiterhelfen könnten. Es war schön, Uncle Sams Kreditkarte zur Verfügung zu haben, dachte Jessica.
Als Jessica ins Roundhouse zurückkehrte, beantragte sie einen Durchsuchungsbeschluss und faxte den Antrag an das Büro des Bezirksstaatsanwalts. Sie machte sich keine allzu großen Hoffnungen, aber fragen kostete nichts. Auf dem Anrufbeantworter war nur ein einziger Anruf. Faith Chandler bat dringend um ihren Rückruf.
Jessica wählte die Nummer, doch es schaltete sich nur der Anrufbeantworter ein. Sie versuchte es ein zweites Mal und hinterließ diesmal eine Nachricht und ihre Handynummer.
Verwundert legte sie auf.
Dringend.
41.
Ich gehe durch die belebte Straße, blockiere die nächste Szene, Körper an Körper in diesem Meer kalter Fremder. Joe Buck in Asphalt Cowboy. Statisten grüßen mich. Einige lächeln, einige schauen weg. Die meisten werden sich niemals an mich erinnern. Wenn die letzte Zeile geschrieben ist, wird es
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