Byrne & Balzano 1: Crucifix
Straßen von der Wohnung entfernt klingelte ein Handy im Taurus. Die vier Detectives überprüften ihre Mobiltelefone. Es war John Shepherds Handy. »Ja … wie lange … okay … danke.« Er klappte das Handy zu. »Kreuz ist seit zwei Tagen nicht zur Arbeit erschienen. Niemand auf dem Parkplatz hat ihn gesehen oder mit ihm gesprochen.« Die Detectives nahmen diese Information schweigend zur Kenntnis und zogen ihre Schlüsse daraus.
Wenn irgendwo eine Tür aufgebrochen werden muss, führt jeder Polizist auf seine Weise einen persönlichen inneren Monolog. Diese innere Einkehr ist fast wie ein Ritual. Einige beten. Andere schweigen. Jeder versucht irgendwie, seine Wut zu zügeln und seine Nerven zu beruhigen.
Sie hatten einiges über ihre Zielperson erfahren. Dr. Summers’ Täterprofil traf auf Wilhelm Kreuz zu. Er war zweiundvierzig Jahre alt, Einzelgänger, und er hatte einen Abschluss an der University of Wisconsin.
Obwohl sein Vorstrafenregister lang war, gab es keine Delikte, die das Ausmaß an Gewalt und Grausamkeit aufwiesen, die der Killer der Rosenkranz-Mädchen bei seinen Morden bewiesen hatte. Dabei war er alles andere als ein Musterbürger. Kreuz war wegen kleinerer Sexualdelikte vorbestraft. Das Risiko eines Rückfalles wurde als gering eingestuft. Er hatte sechs Jahre in Chester abgesessen, doch nach seiner Haftentlassung im September 2002 wurde er in Philadelphia erneut auffällig. Kreuz hatte Kontakte zu minderjährigen Mädchen zwischen zehn und vierzehn Jahren unterhalten. Seine Opfer waren ihm bekannt oder unbekannt.
Da die Opfer des Rosenkranz-Killers älter als Kreuz’ ehemalige Opfer waren, stimmten die Detectives überein, dass es keine plausible Erklärung gab, warum seine Fingerabdrücke auf den persönlichen Sachen von Bethany Price gefunden worden waren. Sie hatten Bethanys Mutter angerufen und sie gefragt, ob sie Wilhelm Kreuz kenne.
Sie kannte ihn nicht.
Kreuz wohnte in einer Dreizimmerwohnung im ersten Stock eines heruntergekommenen Wohnhauses in der Kensington Avenue unweit von Somerset. Der Haupteingang befand sich neben dem leer stehenden Ladenlokal einer ehemaligen Reinigung. Laut Bauplan befanden sich im ersten Stock vier Wohnungen. Nach Angaben der Wohnungsbaugesellschaft waren nur zwei vermietet. Der Hintereingang des Hauses führte zu einer kleinen Gasse, die parallel zum Häuserblock verlief
Die Wohnung der Zielperson lag an der Hauptstraße, mit Blick auf die Kensington Avenue. Ein SWAT-Scharfschütze ging auf der anderen Straßenseite in Stellung, auf dem Dach eines zweistöckigen Gebäudes. Ein zweiter SWAT-Scharfschütze lag in der Nähe des Hintereingangs auf der Erde und sicherte die Rückseite des Hauses.
Die beiden anderen Angehörigen der Einsatztruppe sollten die Tür mit einem Thunderbolt CQB aufbrechen, einer schweren zylindrischen Ramme, die immer dann benutzt wurde, wenn der Einsatz mit einem hohen Risiko verbunden und die Erstürmung einer Wohnung erforderlich war. Sobald die Tür aufgebrochen war, sollten Jessica und Byrne die Wohnung betreten, während John Shepherd die Rückseite deckte. Eric Chavez blieb am Ende des Korridors, neben der Treppe, in Position.
Sie bohrten das Schloss der Eingangstür auf und betraten sofort das Haus. Als sie die kleine Eingangshalle durchquerten, überprüfte Byrne die vier Briefkästen. Offenbar wurde keiner mehr benutzt. Sie waren vor langer Zeit aufgebrochen und nicht mehr repariert worden. Der Boden war mit unzähligen Werbeprospekten und Katalogen übersät.
Über den Briefkästen hing eine verschimmelte Kork-Pinnwand. Einige Geschäftsleute aus der Gegend priesen Sonderangebote des letzten Jahres auf verblichenen, grellbunten Handzetteln an. Es schien, als hätten die Leute, die in dieser Gegend Werbeprospekte verteilten, dieses Haus längst aufgegeben. Die Wände der Eingangshalle waren mit Logos verschiedener Gangs und Obszönitäten in mindestens vier Sprachen beschmiert.
Auf der Treppe zum ersten Stock lagen Mülltüten. Zwei- und vierbeinige Großstadttiere hatten die Tüten zerrissen und den Müll verteilt. Ein unerträglicher Gestank von verrotteten Nahrungsmitteln und Urin breitete sich im Treppenhaus aus.
Im ersten Stock war es noch schlimmer. Ein bitterer Rauschgiftschwaden überlagerte den Gestank von Exkrementen. Der Korridor im ersten Stock war ein langer, schmaler Gang mit freiliegenden Metallleisten und herausgerissenen Elektrokabeln. Abgeblätterter Putz und billige Lackfarbe hingen von der
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