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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Spiegel gesehen hatte.
    »Du brauchst keine Angst mehr zu haben«, sagte Jessica. »Ich bin Polizistin. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
    »Ich verstehe.«
    »Wie heißt du?«
    Die junge Frau trat ins Licht. »Mein richtiger Name ist Graciella«, erwiderte sie. »Manche nennen mich Lilly.«
    Graciella, mi amor , dachte Jessica.
    Jetzt verstand sie alles. Sie erinnerte sich an die Zeilen in dem Tagebuch:
    Ich verstecke mich noch immer. Ich verstecke mich vor meinem Leben, vor meinen Verpflichtungen. Ich beobachte alles aus der Ferne.
    Diese winzigen Finger. Diese dunklen Augen.
    Das sind Augenblicke des Glücks.
    »Okay«, sagte Jessica. Sie wusste, mit wem sie sprach. »Wir müssen schleunigst von hier verschwinden. Sofort.«
    Graciella rührte sich nicht. »Dieser Mann. Der Mann, der hier wohnt ...«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er nennt sich Mr Ludo, aber sein richtiger Name ist Joseph Swann. Er hat meine Mutter ermordet. Sie hieß Eve Galvez. Ich werde ihn töten.«
    Graciella zeigte Jessica ein vergilbtes Stück Papier. Es sah wie eine alte Blaupause aus. »Das habe ich von einem Freund bekommen«, sagte sie. »Er ist ein alter Mann. Ein sehr sonderbarer und uralter Mann. Früher war er Zauberer, doch sein wahnsinniger Sohn hält ihn seit zwanzig Jahren in einem Zimmer gefangen.« Sie faltete das Blatt auseinander. »Es gibt Dinge, die Sie über dieses Haus wissen müssen. Jeder Raum hat einen geheimen Eingang und einen geheimen Ausgang, der woandershin führt.«
    »Was redest du da? Lass uns gehen.«
    Graciella reichte ihr das Blatt, und das leichte Zittern ihrer Hände verriet, dass sie nicht so ruhig war, wie sie vorgab. »Ich komme nicht mit. Ich bin hier noch nicht fertig«, sagte sie und trat zurück.
    »Was soll das heißen? Was ist mit Joseph Swann? Wo ist er jetzt?«
    Graciella ignorierte die Frage. »Es wird noch ein letzter Trick vorgeführt. Das Feuerinferno.« Die junge Frau trat weiter zurück. Sie drückte auf den Lichtschalter an der Wand und berührte mit dem Fuß die Fußleiste. »Sie müssen das verstehen. Ich kann das nicht auf sich beruhen lassen. Ich werde es nicht auf sich beruhen lassen. Ich werde ihn töten.«
    Graciella trat gegen die Fußleiste. Links und rechts von Jessica fielen Trennwände von der Decke. Plötzlich stand sie in einem winzigen Raum. Nur der Strahl ihrer Taschenlampe spendete trübes Licht.
    Jessica war allein.

97.
    5.45 Uhr
    Swann betrat das große Zimmer. Über den abgetretenen Teppich liefen die Geister der Vergangenheit, die zahllosen Tücken seiner Kindheit. Auf den abgenutzten, wuchtigen Möbeln ruhten seine Opfer:
    Elise Beausoleil und ihr literarisches Geschwafel; Wilton Cole und Marchand Decasse und ihr Komplott, als sie seinem Vater den Trick gestohlen hatten. Sehr viele waren hierhergekommen, hatten neugierige Fragen gestellt und gedroht, ihn bloßzustellen und die vielen Geheimnisse von Faerwood ans Licht zu bringen. Sehr viele hatten Faerwood nie wieder verlassen.
    Swann hörte einen Wortwechsel auf dem großen Korridor. Das waren keine Phantome der Vergangenheit. Das waren reale Stimmen. Er wollte gerade nachsehen, als eine Gestalt um die Ecke bog. Es war Odette in dem scharlachroten Kleid. Sie war so jung und hübsch wie eh und je.
    »Bist du bereit?«, fragte Swann.
    »Ja, ich bin bereit.«
    »Heute Nacht führen wir das Feuerinferno auf. Erinnerst du dich?«
    »Natürlich.«
    Swann reichte Odette die Hand, und gemeinsam gingen sie zur Treppe.

98.
    5.47 Uhr
    Die langen Schatten der Gaslampen huschten über die feuchten Kellerwände.
    Hand in Hand gingen Graciella und Joseph Swann an den vielen kleinen Räumen vorbei und bogen im Labyrinth des Kellers um zahlreiche Ecken. In einigen kleinen Räumen standen lediglich lange Eichenregale, die sich unter der Last von Zauberutensilien bogen. In anderen standen Schrankkoffer voller Erinnerungen. In einem Raum wurde kleineres Bühnenzubehör aufbewahrt – Klapptische, Zauberkästen, Zaubertöpfe und kleine Sonnenschirme. Im nächsten Raum wurde nur Bühnenkleidung gelagert – Westen, Jacketts, Hosen, Hemden, Hosenträger.
    Schließlich gelangten sie auf einen langen Korridor, an dessen Ende ein helles gelbes Licht leuchtete. Graciellas Herz klopfte heftig, als sie sich der Bühne näherten. Sie dachte an die Nacht zurück, als ihre Mutter sie angerufen hatte, diese lange, schmerzvolle Nacht vor zwei Monaten, als ihre Welt auf den Kopf gestellt worden war. Zu gerne hätte Graciella ihrer Mutter erzählt, wie

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