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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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die Außenseite und den rechten Daumen auf die Innenseite legen. Wenn das vordere Cover abgewischt wurde, und davon gehe ich aus, wurde vielleicht vergessen ...«
    Hell verstummte. Er starrte auf eine leichte Unebenheit in der unteren linken Ecke auf der Innenseite des vorderen Einbands – eine rechtwinklige Kante, die kaum zu erkennen war.
    »Was haben wir denn da?«, murmelte er.
    Hell öffnete eine Schublade, zog eine glänzende Stahlpinzette heraus und drückte sie dreimal zusammen. Es schien eine Art Ritual zu sein.
    »Was ist das?«, fragte Byrne.
    »Moment mal ...«
    Hell schwang die Pinzette wie ein Herzchirurg, umklammerte das Vorsatzblatt an einer Ecke und löste es behutsam ab. Tatsächlich steckte etwas unter dem Papier. Es sah aus, als hätte jemand das Vorsatzblatt schon einmal gelöst, irgendetwas unter das Papier geschoben und es dann wieder festgeklebt.
    Hell atmete tief ein und aus und zog das Vorsatzblatt noch ein bisschen weiter ab. Darunter steckte ein dünnes Stück Karton. Vorsichtig zog Hell es mit der Pinzette heraus und legte es auf den Tisch. Es war ein weißes Rechteck, vielleicht sieben mal zwölf Zentimeter groß. Auf dem Papier war ein Wasserzeichen. Hell drehte es um.
    Es war ein Farbfoto. Das Foto eines jungen Mädchens.
    Jessica spürte, dass die Temperatur im Zimmer um ein paar Grad anstieg. In gleichem Maße wuchs ihre Angst. Der Fall wurde immer rätselhafter.
    Auf dem Bild war ein weißes Mädchen zu sehen, leicht übergewichtig und um die sechzehn Jahre alt. Es hatte langes kastanienbraunes Haar, braune Augen und ein kleines Grübchen im Kinn. Es handelte sich vermutlich um den Ausdruck eines Digitalfotos. Das Mädchen trug einen roten Pullover, der rund um den Halsausschnitt mit Pailletten verziert war, große runde Ohrringe und eine hübsche Halskette mit einem tropfenförmigen Onyx-Anhänger.
    Hell drehte sich zweimal auf seinem Stuhl herum, während er beide Hände wütend zu Fäusten ballte. Seine großen Stiefel mit den Gummisohlen quietschten auf den Fliesen. »Ich habe nicht daran gedacht, mir das genauer anzusehen. Ich hasse das, Mann«, sagte er ruhig, wurde vor Wut jedoch rot im Gesicht.
    »Es ist ja nichts passiert«, sagte Byrne. »Jetzt haben wir’s gefunden.«
    »Ja, aber ich könnte ausrasten. Ich könnte wirklich ausrasten!«
    Jessica und Byrne hatten schon in vielen Fällen mit Hell Rohmer zusammengearbeitet. In Situationen wie dieser war es das Beste, einfach abzuwarten. Allmählich beruhigte Hell sich wieder, und die dunkle Röte auf seinen Wangen wich einem zarten Rosa.
    »Könnten wir eine Kopie davon haben?«, fragte Byrne. Es war eine rhetorische Frage, aber es war das Beste, Rohmers Wutanfall einfach zu ignorieren.
    Hell starrte auf die Bibel, als könnte der Verdächtige wie bei einem Pop-up-Buch aus dem Einband springen, sodass er ihn auf der Stelle erwürgen könnte. Es war im ganzen Department bekannt, dass man es tunlichst vermeiden sollte, Helmut Rohmer auf den Nerven herumzutrampeln. Ein paar Sekunden später erwachte er aus seiner Erstarrung. »Eine Kopie? Ja, klar.«
    Hell legte das Foto in eine durchsichtige Beweismitteltüte und ging damit zum Farbkopierer. Er drückte ein paar Tasten, stemmte die Hände in die Hüften und wartete darauf, dass die Kopie ausgedruckt wurde. Ein paar Sekunden später war sie fertig. Hell reichte sie Jessica.
    Sie schaute sich das Bild genau an. Das Mädchen auf dem Foto war nicht Caitlin O’Riordan. Es war jemand anders. Eine Person, die mit unschuldigem Blick, der um Erfahrung bettelte, in die Welt schaute. Jessica hatte das Gefühl, dass dieses Mädchen niemals eine Chance gehabt hatte.
    Sie steckte die Kopie des Fotos in ihre Mappe. »Danke«, sagte sie. »Halten Sie uns auf dem Laufenden, okay?«
    Hell antwortete ihr nicht. Seine Gedanken drehten sich um handfeste Beweise, und er bebte noch immer vor Wut. Kriminaltechnikern gefiel es ebenso wenig wie Detectives, wenn ein böses Spiel mit ihnen getrieben wurde. Und Hell Rohmers Schmerzgrenze lag niedriger als bei anderen.
    Zehn Minuten später fuhren die Detectives Jessica Balzano und Kevin Byrne zur Shiloh Street 4514. Das Foto der braunhaarigen jungen Frau lag wie ein stummer Passagier auf dem Sitz zwischen ihnen.

6.
    W IEDER EINE UNVORSTELLBAR trostlose Gegend in Nord-Philadelphia. Ein verfallenes, zweistöckiges Eckhaus in einem Block aus fünf Häusern in der Shiloh Street.
    Links neben dem Eingang war eine kleine Gedenkstätte. In Nord-Philadelphia

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