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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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hatte nur eine Treppe ins Kellergeschoss geführt, von einer kleinen Vorratskammer neben der Küche aus. Über diese Treppe gelangte man direkt in den Wein- und Vorratskeller.
    Das alles änderte sich, als Joseph Swanns Vater das Haus kaufte und die Umgestaltung von Faerwood begann. Jetzt gab es mehr als zehn verschiedene Wege ins Kellergeschoss.
    Einer der Kellerräume – er maß kaum zwei mal zwei Meter und war vielleicht der kleinste von allen – war seine Garderobe. An einer Wand hing ein großer Spiegel, der von gelben Kugellampen eingefasst war. In einer Ecke stand eine hohe Glasvitrine, deren zahlreiche Schubladen eine umfangreiche Sammlung von Dingen enthielten, die der Kunst des Make-ups dienten. In einer der Schubladen lagen Prothesen. Eine andere Schublade war für Schorf, Wunden und Narben reserviert. Eine weitere, Swanns Lieblingsschublade, enthielt Zubehör, um die Haare zu verändern. Manche Perücken und Schnurrbärte waren älter als fünfzig Jahre; darunter befanden sich einige der besten Exemplare, die jemals geknüpft worden waren.
    Doch auch die besten Hilfsmittel und Perücken waren nutzlos ohne das wahre Geheimnis des Make-ups: das richtige Auftragen.
    Swanns Handwerkszeug lag ordentlich sortiert auf dem klinisch reinen Tisch – Bürsten, Kämme, Schwämme, Pinsel und Farbstifte, dazu Tuben und Puderdosen, matte Grundierungen, Farben, Glitzer, Lippenstifte und die immer wichtigeren Abdeckstifte. Jetzt, da Swann auf die vierzig zuging, klagte er, dass er in immer stärkerem Maße zu den Abdeckstiften greifen musste.
    Swann hatte die Perücke bereits aufgesetzt. Jetzt trug er noch etwas Flüssiggummi aufs Kinn auf und öffnete die Plastikschachtel, in der sein wertvoller Spitzbart aus Echthaar lag. Er presste den Bart kurz aufs Kinn und strich dann die Konturen glatt. Die schwarzen Augenbrauen hatte er schon aufgeklebt; nun klemmte er das Monokel aus Fensterglas mit der Stahlfassung in sein rechtes Auge.
    Swann stand auf, schlüpfte in den Frack und zog Schultern und Taille zurecht. Dann drückte er auf die Fernbedienung in seiner linken Tasche und schaltete die Musik ein. Die Bach-Kantate Wachet auf, ruft uns die Stimme klang leise durch die anderen Räume.
    Kurz darauf öffnete Swann die Tür und betrat seine verborgene Bühne.
    Katja saß mit gekreuzten Beinen in der Kiste. Ihr Blick war leer und verloren in die Ferne gerichtet.
    Die Schwertkiste war in einem glänzenden Rot lackiert. Sie war etwa einen Meter zwanzig hoch, sechzig Zentimeter breit und ebenso tief. Sie stand auf einem niedrigen Podest aus poliertem Stahl und war von innen mit schwarzem Glanzlack angestrichen.
    Auf dem Boden der Kiste befand sich ein Abflussrohr, das zur Abwasserleitung des Hauses führte.
    Swann tauchte aus den Schatten auf. Sein weißes Hemd und die scharlachrote Krawatte bildeten einen wunderschönen Kontrast zur tiefen Dunkelheit des Raumes. Als er sich links neben die Kiste stellte, wurde er vom Scheinwerferlicht angestrahlt.
    Ein paar Schritte entfernt beobachtete das Objektiv einer Kamera das Geschehen – ein starres, silbernes Auge in der Finsternis.
    Swann schaute auf die geöffnete Kiste und dann in Katjas Gesicht. Sie sah wieder so jung aus, so verletzlich, als müsste man sie hegen und pflegen. Oje, dazu war es nun zu spät. Er strich ihr über die Wange. Sie wollte der Berührung ausweichen, doch in der Enge der prunkvollen Schwertkiste konnte sie sich kaum bewegen.
    Joseph Swann war bereit.
    Im oberen Stockwerk gab es einen verborgenen Raum, der vom Rest des Hauses durch eine Zwischenwand am oberen Ende der Treppe abgetrennt und durch Stahltüren gesichert war. In diesem Raum flimmerte nun ein Fernseher, auf dem diese Vorstellung live zu sehen war.
    »Sehen Sie hier ... die Schwertkiste«, begann Swann. Er blickte direkt in die Linse, in die Welt, in die Augen und Herzen derer, die diese Vorstellung sehen würden und die Aufgabe hatten, das Rätsel zu lösen. »Und sehen Sie hier ... die reizende Odette.«
    Swann brachte die Vorderseite der Kiste an und verschraubte sie. Dann drehte er sich zu dem Tisch um, auf dem sieben schimmernde, messerscharfe Schwerter lagen.
    Gleich darauf zog er das erste Schwert. In der Stille des Kellers zischte der Stahl durch die Luft, fand jede Schwelle, jede Tür, jede Erinnerung. Ein leises Raunen huschte durch ein unerträgliches Labyrinth aus Träumen.

12.
    U M HALB ACHT betrat Jessica den Coffeeshop, in dem der übliche morgendliche Betrieb herrschte. Sie

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