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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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ihn mit großer Genugtuung ihre Verachtung fühlen lassen, weil sie unter seinem Hochmut gelitten hatten. Welch einen Triumph würde seine Heimkehr in Reue bei ihnen auslösen!
    So saß Alexios auf Negroponte fest wie ein Schiff auf einer Sandbank. Für die Schönheiten der Insel, für den gewaltigen Gebirgszug, der sich zur Küste absenkte und sich vor dem türkisblauen Wasser der Ägäis verneigte, für die sanften Buchten und die feinen Sandstrände, für die Platanenwälder und Wacholderhaine besaß er keinen Blick. Er mochte ohnehin weder etwas sehen noch etwas hören. Während er sich fragte, ob er hätte kämpfen und sterben sollen, trank er billigen Wein und ließ sich, wenn er betrunken genug war, von Huren trösten. Dabei legte er nicht wie früher Wert auf die Raffinesse, mit der die käuflichen Damen ihr Handwerk verrichteten. Er wählte noch nicht einmal unter den mietbaren Schönheiten aus, sondern überließ alles dem Zufall. Es spielte für ihn keine Rolle, eine war so gut wie die andere, er wollte ja nur in sie eintauchen und vergessen, deshalb sah der Fürst sie auch nicht an, weder vorher noch dabei noch danach, wenn er sie bezahlte. An manchen Abenden, wenn die Trübseligkeit sich auf ihn senkte wie ein großes schmutziges Filztuch, das vor Feuchtigkeit stockig roch, fühlte Alexios nur noch den Drang, sich ins Meer zu stürzen. Er unterschied nicht mehr zwischen Tag und Nacht und hatte den Wechsel von Trunkenheit und Nüchternheit zugunsten des Rausches aufgehoben. Es tat so gut, wenn sich alles auflöste und das Denken seine Konturen verlor. Dabei tat er sich nicht einmal leid, sondern verachtete sich als Versager. Ohne den geringsten Anflug von Selbstmitleid beschimpfte und verspottete er sich.
    »Der kleine Alexios wollte große Politik spielen«, sagte er dann vor sich hin, oder: »So einer will Kaiser werden, da schüttelt’s ja die Huftiere in ihren Ställen!«
    Die Tage verschwammen im harzigen Geschmack des Weines. Und da er kaum aß, magerte er ab. Manchmal übergab er sich. Danach schmeckte das Gesöff wie Essig und brannte in den wunden Eingeweiden. Auf diese Weise wehrte sich sein Körper, allerdings erfolglos, gegen das Gift. Die Zeiten, in denen er nicht mehr zu unterscheiden vermochte, ob er schlief und träumte oder ob das, was er tat und wahrnahm, tatsächlich geschah, liebte er mit einer selbstzerstörerischen Leidenschaft. Er genoss die Verzerrung der Wahrnehmung, das Purzelbaum schlagende Bewusstsein. In seiner Kindheit hatte er, wenn auch nur kurz, das bereits einmal erlebt. Er hatte die Lider geschlossen, den Kopf immer schneller gedreht, bis er abrupt anhielt und die Augen öffnete. Dann hatte er das Gefühl, als ob die Welt sich im Schleudern befand, nicht er, sondern der Planet, und wollte nur noch seine liebe, gute Erde mit beiden Händen festhalten.
    Als er eines späten Nachmittags auf dem weißen Sand liegen geblieben war und sich in einen Traum verheddert hatte, in dem er mit Gott, Allah, Jahwe, der Jungfrau Maria, Jesus und Maria Magdalena zu Tische saß, um einen Drachen zu verspeisen, aus dessen Maul die heilige Margit gekleidet wie eine Bauchtänzerin trat, entdeckten zwei Halunken den schnarchenden Fürsten. Sie beschlossen, den Mann zu töten und auszurauben. Mit dem Messer in der Hand näherten sie sich dem Schlafenden. Die Gauner machten sich Hoffnungen, dass sich das Massakrieren lohnen würde. Auch wenn der Schläfer am Strand etwas heruntergekommen aussah, sah man ihm die vornehme Abkunft noch an. Sollte er wider Erwarten nichts Wertvolles mit sich führen, würden sie sein Fleisch als Schweinehack verkaufen. Sie ahnten nicht, dass der Fürst nur noch aus Haut und Knochen bestand und das Filettieren nutzlos gewesen wäre.
    Wie aus dem Nichts wurde der eine der beiden Männer von dem Kuvasz niedergeworfen. Den zweiten ging das Tier von vorn an, sodass der Schurke auf den Rücken fiel. Über seiner Kehle fletschte der Hund die Zähne. Die Hilferufe der Raubmörder weckten Alexios. Er brauchte ein paar Minuten, bis er die Situation einzuordnen vermochte. Dann rief er Înger zu sich. Die beiden Männer flohen, so schnell ihre Beine sie trugen.
    Der Hund hatte ihm das Leben gerettet. Das berührte Alexios. Und er bellte ihn wütend an, als wolle er ihm die Leviten lesen. Jetzt verstand der Fürst, weshalb es Johann Hunyadi so ans Herz gegangen war, den Kuvasz als Wettpfand zu setzen oder ihn sogar wegzugeben. Indem er dieses begriff, fasste er eine tiefe

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