Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
Jüngeren. Es wirkte ein wenig so, als hätten Loukas und Eirene Demetrios adoptiert, denn er verbrachte seine Zeit fast vollständig in der jungen Familie, wenn er nicht in die Kirche ging, um zu beten. Allerdings besuchte Demetrios die Kirche des Pantokratorklosters. Diese lag zwar im Gegensatz zur Hagia Sophia recht weit vom Palast der Notaras entfernt, aber er wollte unter allen Umständen vermeiden, Dionysios zu begegnen. Zum einen schämte er sich, und zum anderen hätte ihn das Zusammentreffen an die schönen Stunden erinnert, in denen er die Malerei erlernt hatte. Seine Augen aber nahmen die Welt weiterhin als Bilder wahr, zuweilen bewegte sich dann auch unwillkürlich seine Hand. In diesen Momenten hatte er das Gefühl, als stranguliere jemand sein Herz, und er rang nach Atem wie ein Asthmatiker.
    Lange und kräftig umarmten einander die Brüder zum Abschied, als wollten sie einen Abdruck des anderen immer mit sich führen, während sich hingegen Vater und Sohn ein karges Lebewohl zuriefen, ohne einander körperlich zu berühren oder dabei in die Augen zu schauen.
    Für Loukas Notaras brach die schönste Zeit seines Lebens an. Die Zusammenarbeit mit Draperio gestaltete sich eng, und sie tätigten gemeinsame Investitionen, dort ein Schiff, da eine kleine Niederlassung jenseits des Schwarzen Meeres. Schließlich suchte Loukas den Weg zu den Venezianern. Und Draperio hielt sich als Genuese diskret im Hintergrund, denn Genua und Venedig konkurrierten mit allen Mitteln um die Herrschaft im Seehandel. So sehr, wie diese beiden Städte einander verabscheuten, hassten sich nicht einmal Muslime und Christen.
    Francesco Draperio allerdings fühlte sich seiner Vaterstadt nicht so tief verbunden, als dass sein Patriotismus den Genuss des Vorteils, mit Genuesen und Venezianern zugleich Handel zu treiben, überwogen hätte. Den Venezianern war das Handelshaus Notaras eigentlich ein Dorn im Auge, galt es doch als genuesisch, aber Loukas fand einen Weg, der ihn in das finanzielle Herz der Lagunenmetropole führte. Einer der wichtigsten Bankiers der Republik von San Marco, Giovanni Badoer, war Jude und unterhielt gute Kontakte zu Jakub Alhambra, der wiederum die beiden Kaufleute miteinander ins Gespräch brachte. Mochte der Glauben die Welt entzweien, die Geschäfte einten sie wieder.
    Mit einem Wort, nach all der Angst und den Sorgen lief es für Loukas prächtig. Sein Vater, von der Tüchtigkeit des Sohnes überzeugt, zog sich immer stärker aus dem operativen Geschäft zurück, sodass Loukas bald schon von der Öffentlichkeit als der neue Chef des Hauses wahrgenommen wurde. Nikephoros unterstützte diesen Prozess, indem er alle, die sich in geschäftlichen Angelegenheiten an ihn wandten, zu seinem Sohn schickte, übrigens auch diejenigen, die sich bei ihm über Loukas beschweren wollten.
    Aber nicht nur das Handelshaus wuchs, vor allem nahm Eirenes Bauch täglich an Umfang zu. Zuweilen saßen sie vor dem Schlafengehen im Konversationszimmer und überlegten, wie das Kind heißen sollte. Namen wurden gefunden, besprochen, alle Assoziationen, die der Name auslösen konnte, überprüft, verworfen oder notiert. Die Abende gehörten grundsätzlich dem jungen Paar. Loukas schaffte es fast immer, seine Arbeit tagsüber zu erledigen, weil er sich auch aus der Politik zurückgezogen hatte. Und er vermisste sie auch nicht. Natürlich täuschte er sich nicht darüber hinweg, dass er eines Tages wieder am Hof des Kaisers tätig sein musste, aber er konnte geduldig darauf warten, bis er gerufen würde. Aufdrängen wollte er sich und durfte er sich vor allem nicht. Da er keinen Anteil an der katastrophalen Wendung hatte, die Konstantinopels Diplomatie in der türkischen Angelegenheit genommen hatte, traf ihn auch keine Schuld. Nicht daran, dass Mustafa von Murad besiegt worden war, nicht daran, dass Murad Gallipoli zurückerobert hatte, und schon gar nicht daran, dass es keinerlei diplomatische Beziehungen zum Großtürken mehr gab. Seine Spitzel hatten ihm berichtet, dass Sphrantzes als Gesandter zum Sultan geschickt worden war, aber weder der Sultan noch der Großwesir Halil Pascha ihn empfangen hatten. Nicht einmal die Geschenke, die Sphrantzes für den Großtürken mitgeführt hatte, wurden entgegengenommen. Es hieß, dass Johannes VIII. sich in großer Ratlosigkeit und in einer ausgemachten Depression befand. Der Fürst Alexios Angelos allerdings schien vom Erdboden verschwunden zu sein. Über seinen Verbleib vermochte niemand

Weitere Kostenlose Bücher