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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Alte in der schwarzen Mönchskutte, der einen runden dunklen Hut trug, schritt durch das Tor. Hinter ihm erhob sich die hohe Innenmauer, die von achteckigen und viereckigen Türmen unterbrochen wurde. Nachdem er gut zwanzig Schritte zurückgelegt hatte, stieg er gewandt die Steinstufen hoch zum Wehrgang der Außenmauer. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Oben erwarteten ihn inmitten der Soldaten und Offiziere seine Frau und sein Sohn. Johannes trug den Ornat des Kaisers, Helena ein rotes Kleid, das ihre Haare wie Weißgold erscheinen ließ. In einer stummen Geste, in der sich Ratlosigkeit mit Scham verband, kniete Johannes VIII. Palaiologos, Regent von Konstantinopel und Herrscher über Byzanz, vor seinem Vater nieder. Die Demut des Sohnes erschütterte den alten Kaiser. Die Geste bedeutete: Du hattest recht, Vater. Es ist alles so eingetroffen, wie du vorausgesagt hattest, jetzt benötige ich deinen Rat.
    Manuel legte im Vorbeigehen wie in einer Andeutung seine Hand auf das schwarze Haar seines Sohnes, der seinen in der Spitze zulaufenden Brokathut nach Art der Ritter in der rechten Hand hielt. Seine Haltung erinnerte an die eines Ritters vor seinem Herrn. Der alte Kaiser, der sich so sehr danach sehnte, nichts weiter als der Mönch Matthaios zu sein, trat an die Zinnen und schaute hindurch. Tief unter ihm lief ein zweiter Umgang hinter einer Brustwehr entlang. Jenseits der zinnenbewehrten dritten Verteidigungsanlage trennte sie nur noch ein breiter Graben, der teils mit Wasser geflutet werden konnte, von den Angreifern, die der Alte mit bloßen Augen kaum zu erkennen vermochte. Er nahm nur bunte Kleckse im Weichbild der Stadt wahr, deren Anzahl ihn allerdings erschreckte. Warum unterwarf ihn Gott nur diesen Prüfungen? Ihn, dessen Herz nur noch nach Ruhe lechzte?
    In einer Entfernung von ein bis zwei Meilen entstand eine Stadt aus verschiedenfarbigen Zelten, von deren Mittelstangen bunte Wimpel im Wind flatterten. Zwischen ihrem Feldlager und der Stadtmauer errichteten Türken einen mannshohen Wall aus Steinen und Erde. Janitscharen bewachten die Arbeiter beim Schanzen. Melder ritten hin und her. Vergaß man, dass sich die Truppen zum Sturm auf die Stadt rüsteten, hatte der Anblick dieser munteren Geschäftigkeit etwas durchaus Fröhliches. Und der Horizont spuckte aus seinem Riesenbauch immer neue Truppen aus. Turbane und Hosen und Tuniken in allen Farben erweckten den Eindruck, als versammele sich eine überwältigende Farbenpracht zum Sturm auf die schlichte dunkelrote Stadtmauer. Aber nicht nur Krieger gehörten zum Belagerungsheer, Manuel machte auch Bettelmönche aus, Sufis, Händler, Wahrsager und Beutejäger aller Art.
    »Großer Gott, seit wann geht das schon so?«, fragte er.
    Johannes hatte sich erhoben und stand links vom Kaiser, Helena rechts von ihm.
    »Seit gestern. Vor drei Tagen erhielten wir die Nachricht, dass sich ein großes Heer aus Rumelien unseren Mauern näherte. Wir schickten Sphrantzes als Gesandten. Er kehrte, ohne Audienz beim Sultan oder beim Großwesir erhalten zu haben, zurück. Ein Kanzlist übergab ihm lediglich ein Schreiben des Großtürken, der uns auffordert, die Stadt zu übergeben. Kämen wir dem nach, dürften wir auf seine Gnade rechnen.«
    »Und wenn nicht, wird die Stadt drei Tage lang geplündert und gebrandschatzt, wie es Belagererrecht ist«, sagte Manuel. Johannes nickte.
    »Das wäre der Untergang von Konstantinopel!«, sagte Manuel. Seine Stimme hatte schon lange nicht mehr so kräftig geklungen wie in diesem Moment. Es war jetzt nicht die Zeit, über Fehler zu philosophieren oder die Schuldfrage zu klären. Der Kaiser würde jeden Mann brauchen, da durfte niemand gedemütigt werden.
    »Unsere Wehrmauer ist stark genug, unser Schwertarm auch! Wir verteidigen das Neue Rom von dieser äußeren Mauer aus. Vertrauen wir dem Bollwerk und uns selbst, Rhomäer! Werden wir zum Bollwerk, an dem die Horden der Ungläubigen zerbrechen!«, rief er laut in die Runde. Jeder Zoll ein Kaiser, dachte seine Gemahlin, die Kaiserin Helena, voller Bewunderung. In den Augen der Generäle, aber auch der Soldaten, die in der Nähe standen, flackerte Zuversicht auf. Die kaiserliche Haltung des alten Mannes, die scheinbar im Gegensatz zur Mönchskleidung stand, erhöhte die Wirkung seiner Worte. Plötzlich bekam seine Gestalt eine zeitlose Aura, verklärte er sich zum caesar aeternus , zum ewigen, die Zeiten überdauernden Herrscher. Trotz seines Alters gingen von ihm Tatkraft und Hoffnung

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