Byzanz
es jedoch der gute Gott nicht kommen lassen, und auch sie nicht.
5
Residenz des ungarischen Königs, Buda
Hatte Alexios den Tod wirklich hinter sich gelassen, oder trug er das Sterben nun mit sich, Claras Tod als den seinen? Auch Johann Hunyadi schwieg auf dem Weg. Ausgelassen war nur der Hund, der wild umhersprang, mit dem Schwanz wedelte und freudig bellte, weil er seinen Herrn wiederhatte. Hunyadi brachte Alexios in der Herberge unter, in der er wohnte, wenn er in Buda weilte. Sicher hätte er als Reichsverweser auch im Palast nächtigen können, doch er blieb lieber unabhängig. Um aber für seine Aufenthalte ein Haus zu erwerben, war er entschieden zu geizig. Die Herberge wirkte ungewöhnlich reinlich. Hunyadis Zimmer und das des Fürsten lagen sich gegenüber.
Der Reichsverweser hatte in einem kleineren Raum Speisen und Getränke servieren lassen.
»Nach Musik und Frauen wird Euch sicher nicht zumute sein, aber stärken müsst Ihr Euch!« Alexios dankte ihm mit einem Lächeln für die Rücksicht.
Während Hunyadi kräftig zulangte und dem Wein zusprach, begnügte sich Alexios mit Geflügelbrühe und zog sich auch bald auf sein Zimmer zurück. Eine Magd half ihm beim Ausziehen. Sein ganzer Körper schmerzte wie eine einzige Wunde, mehr aber noch seine Seele. Welche Opfer sollten ihm denn noch abverlangt werden? Trotz der Gedankenfetzen und der Gefühlsaufwallungen, die in seinem Kopf und seinem Herzen wild und wirr durcheinandergingen, fiel er vor Erschöpfung rasch in einen tiefen Schlaf.
Als er gegen Mittag erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Vom Hausdiener ließ er sich zum Badehaus bringen, denn er stank erbärmlich. Nach der Reinigung fühlte er sich etwas besser. Der Bader, der Claras Leiche aufbewahrte, empfahl dem Fürsten die Franziskanerinnen für die Bestattung der Zofe. Das Kloster befand sich unweit des Badehauses, und Alexios wurde sogleich vorstellig. Mit der Äbtissin, der Tochter eines Barons aus dem Banat, vereinbarte er, dass sie all ihre Kunst zur Anwendung brächten, um die Spuren der Misshandlung, wo nicht zu überdecken, so zumindest zu mildern. Gegen eine großzügige Spende erhielt Clara ein Grab auf dem Friedhof des Klosters.
»Ist sie eine virgo intacta ?«, fragte die Äbtissin streng.
»Ja, das ist sie!«, antwortete Alexios Angelos. Er fand in seiner Antwort keine Lüge, nur die lautere, die tiefere Wahrheit, denn das Attribut der Jungfräulichkeit hieß, unschuldig zu sein, und unschuldig war Clara gewesen.
Die übrige Zeit verbrachte er in wilden Mordphantasien gegenüber König Sigismund oder mit gewagten, aber nutzlosen Plänen, Erkundigungen über Barbara einzuziehen. Nur ein Mensch konnte ihm weiterhelfen.
Gegen Nachmittag besuchte ihn Johann Hunyadi. Der Reichsverweser strahlte ihn zufrieden an. »Na bitte, jetzt seht Ihr wieder wie ein Mensch aus!«
»Ja, ein heißes Bad weckt die Lebensgeister! Wisst Ihr, treuer Freund, wie es der Königin geht?«
»Nun, sie ist bei Hofe in Buda, kein Haar wurde ihr gekrümmt, aber sie steht wohl unter Arrest. Man bekommt sie nur bei offiziellen Audienzen zu Gesicht.«
Dass sich Sigismund mit Barbara in der Öffentlichkeit zeigte, nahm Alexios als gutes Zeichen. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Er verneigte sich vor Hunyadi. »Ich stehe in Eurer Schuld!«
»Vor allem in der Schuld der Königin. Sie hat mich durch einen Eilboten benachrichtigen lassen.«
»Sie hat einen Verräter in nächster Nähe!«
Hunyadi warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Haben wir das nicht alle? Selbst unter den Vertrauten unseres Herrn Jesus Christus fand sich ein Judas. Was ist Besonderes daran?«
»Sigismund wusste, wo er uns finden konnte. Außerdem hatte er Kenntnis davon, welche Dienste die arme Clara leistete.«
»Lasst uns für ihre Seele ein paar Messen beten«, sagte Hunyadi. Für Alexios’ Geschmack ging er etwas leicht über das Schicksal der zu Tode gefolterten Frau hinweg.
»Der Verräter muss dafür bezahlen!«
»Wollt Ihr das wirklich?« Hunyadi lächelte geheimnisvoll.
»Ja, das will ich. Ich schwöre …«
»Meinetwegen, aber schwört nicht zu früh. Ihr habt morgen eine Audienz bei Sigismund als gerade eingetroffener Botschafter des Kaisers der Griechen.«
»Der Rhomäer«, verbesserte Alexios reflexhaft.
»Meinetwegen der Rhomäer.«
»Welch eine Lüge! Wie kann ich ihm nach allem, was geschehen ist, unter die Augen treten?«
»Nach allem, was geschehen ist, müsst Ihr ihm sogar wieder unter die Augen treten.
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