Byzanz
Abendland überflutet hatten und dann in ihre Steppen zurückgedrängt worden waren. Wenn er Kaiser werden wollte, der Enkel Konstantins und Justinians, dann blieb ihm nur, auf Vergeltung zu verzichten und mit Sigismund ein Bündnis zu schließen. Er mochte sich noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen und nach Alternativen suchen, es gab keinen anderen Weg.
Alexios blickte auf und sah über den Wassern der Donau den Hermaphroditen dahinschreiten. Er streckte die Hand nach dem Fürsten aus und säuselte: »Fürchte dich nicht, denn vom ersten Tag an, an dem du dein Gesicht darauf richtetest, nachzudenken und dich vor dem Herrn, deinem Gott, zu erniedrigen, wurde deine Sache erhört, und ich bin wegen deiner Sache hergekommen.« Da erinnerte sich Alexios Angelos an die Schlacht gegen Murad und an die Worte, die er einst im Buch Daniel gelesen hatte und nun dem Hermaphroditen zurief: »Und der Heerführer der Perser stand mir einundzwanzig Tage im Kampf gegenüber, und siehe, einer der heiligen Engel kam hinzu, um mir zu helfen, und ich ließ ihn dort bei dem Heerführer des Königs der Perser zurück.« Aber der Hermaphrodit sprach ungerührt weiter: »Ich bin gekommen, dir aufzuzeigen, was deinem Volk in den letzten Tagen entgegenkommen wird. Sei ein Mann und sei stark!«
Alexios fühlte, wie ein Bann von ihm wich.
»Erkennst du, warum ich damals zu dir gekommen bin? Und nun werde ich zurückkehren, um mit dem Heerführer des Königs der Perser einen Entscheidungskampf zu führen, und ich zog aus, und siehe, der Heerführer der Griechen zog ein.«
Alexios ging dem Hermaphroditen entgegen. Er watete in den Fluss, bis das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug. Dann erst machte er zwei Schritte zurück und tauchte aus den Wassern des Flusses wieder auf, aus dem nassen Grab, der Unterwelt. Der Hermaphrodit hatte sich in dem Dunst aufgelöst, der in Schwaden über die Donau zog. Nur eine Taube flatterte über ihn hinweg. Schnellen Schrittes begab er sich zurück in den Gasthof. Die Menschen auf den Straßen schauten den vor Nässe triefenden Mann verwundert an. Er wirkte nicht wie ein Heiliger, nicht wie ein Verrückter, nur wie einer, der, warum auch immer, ins Wasser gefallen war. In seinem Kopf aber halten die Worte wider: »… der Heerführer der Griechen zog ein.«
Ein Entscheidungskampf würde es werden, das hatte der Engel dem Heerführer der Griechen verkündet.
6
Residenz des ungarischen Königs, Buda
Als wäre er soeben in Buda eingetroffen und nicht bereits drei Tage zuvor gefesselt auf einem Leiterwagen in die Stadt gekarrt und im Kerker gefoltert worden, betrat Fürst Alexios Angelos im Brokatwams über zweifarbigen Beinlingen und in einer schwarzen, golddurchwirkten Pluderhose als rhomäischer Gesandter den Audienzsaal des Königs. Nur die Schmerzen im Schulterbereich erinnerten ihn noch an die Folter. Der König saß auf seinem Thron. Zorn verdüsterte sein Gesicht. Die Pupillen hatten sich mitsamt der blauen Iris verengt und stemmten sich gegen das blutunterlaufene Weiß der Augen. Neben Sigismund saß eine sichtlich gelangweilte Barbara. Alexios unterdrückte den Wunsch, sie unter dem lauernden Blick des Königs anzusehen. Er fühlte sich äußerst unbehaglich. Ein paar Höflinge standen beflissen vor dem Herrscher, während ein Kardinal der römischen Kirche sichtlich um Beherrschung rang. In seinem Rücken meldete der Herold: »Herr Alexios Angelos, Gesandter des Kaisers der Griechen, soeben angekommen aus Konstantinopel.«
Sigismund nahm von Alexios zunächst keine Notiz. Ihm setzten die böhmischen Sorgen zu. »Die Hussiten jagen das Kreuzzugsheer unter Eurer Führung, Cesarini, auseinander. Ihr flieht in der Kleidung eines einfachen Soldaten vom Schlachtfeld – und macht Euch zum Gespött der Ketzer, und der Papst will nicht einen Gulden für ein neues Heer zahlen! Worauf wartet er? Dass Prokop in den Petersdom einzieht?« Die letzten Worte hatte der König gebrüllt, sodass die herabfallende Stille doppelt schwer auf allen lastete. Die Höflinge sahen betreten auf ihre Fußspitzen, bestrebt, nicht durch eine unangemessene Mimik den Zorn des Herrschers auf sich zu ziehen. Nur Barbara erlaubte sich den Anflug eines Lächelns, als wollte sie sagen: Gut gebrüllt, Löwe!
»Ich bin nicht der erste Kämpfer, der durch eine Verkleidung dem bösen Feind entkommt, um erneut gegen ihn ins Feld ziehen zu können!«, hielt Giuliano Cesarini tapfer dagegen. Der Kardinal, ein schlanker,
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