Byzanz
Sigismund will die Affäre vertuschen. Außerdem, macht Euch doch kein Gewissen darum. Es gibt in der ganzen Geschichte kein Paar, dass sich öfter gegenseitig betrogen hat als diese beiden!«
»Ihr missversteht mich, guter Freund. Die Frage lautet: Wie kann ich ihm unter die Augen treten, wo ich ihn doch töten will!«
»In diesem Fall liegt es in der Natur der Sache, dass Ihr ihm unter die Augen treten müsst«, spottete Hunyadi und begann sein rechtes Bartende zu zwirbeln. Er wirkte gelangweilt, als ginge das Gespräch nicht über einen Anschlag auf das Leben des Königs, sondern über einige Details der Schafhaltung im Spätsommer. »Na, das könnt nur Ihr entscheiden, ob Ihr ein zwar tadelloser, aber von seinen Gefühlen getriebener Schlagetot sein wollt oder Politik betreiben möchtet. Wenn Letzteres der Fall ist, dann reißt Euch zusammen. Wünscht Ihr mit der gleichen Leidenschaft wie ich, einen Kreuzzug gegen die Türken vom Zaun zu brechen, braucht Ihr Sigismund. Schaut Euch das Abendland an: eine Bande von Fürsten, denen der eigene Gewinn und der Reichtum näher stehen als unsere Religion. Die Herren Engländer und die Herren Franken hauen sich seit fast hundert Jahren wegen Besitztümern in Aquitanien die Köpfe ein. Meint Ihr, die interessieren sich für irgendwelche Türken auf dem Balkan? Außerdem liegt eine Schwächung der Deutschen sehr wohl im Interesse der Franken. Aber auch bei uns ist die Sache unübersichtlich. So manch christlicher Fürst hält es eher mit dem Sultan als mit seinen Christenbrüdern. Es gibt nur einen, der das diplomatische Meisterstück fertigbringt, sie alle zu einen: Sigismund.«
»Es ist schön von Euch, dass Ihr loyal zu Eurem Herrn steht, aber …«
»Ach Unfug«, fiel ihm Hunyadi, dem der Geduldsfaden zu reißen drohte, barsch ins Wort. »Das hat nichts mit Loyalität zu tun, sondern mit den Tatsachen! Haltet Ihr mich für sentimental? Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten wir zwei Päpste in der Christenheit. Ausgerechnet der Versuch, sich auf einen zu einigen, führte dazu, dass wir plötzlich drei Heilige Väter hatten. Ein bisschen viel, oder? Aus der verruchten Zweiheit wurde die verfluchte Dreiheit. Die Kirche drohte auseinanderzubrechen, da sattelte Sigismund sein Ross und ritt durchs Reich. Nach England, nach Frankreich, nach Spanien, durchs ganze Abendland, von Osten nach Westen, von Norden nach Süden und natürlich wieder retour, bei Sonnenschein und bei Frost, bei Schnee und bei Regen, bei Hagel oder bei Staubtrockenheit reiste er, debattierte, verhandelte, finassierte, nun weiß der Teufel wie, aber er brachte das Kunststück schließlich zuwege, dass sich alle zum Konzil in Konstanz zusammengefunden und auf einen Papst geeinigt haben! Hört auf mich, Alexios, nur Sigismund kann die weltlichen Fürsten für dieses gewaltige Unternehmen zusammenführen. Und wir brauchen sie dazu! Wenn Ihr die Heiden vernichten und Euer Reich in alter Größe wieder aufrichten wollt, dann vergesst das arme, massakrierte Mädchen, vergesst Eure Bettgeschichte mit Barbara und macht Euch Sigismund zum Verbündeten. Ihr braucht ihn! Oder befriedigt Euren Wunsch nach Rache und lasst Euch von dem kleinen Kerl beherrschen, den der König Euch ausgerissen hätte, wenn ich nicht dazwischengetreten wäre. Lasst mich nicht glauben, dass ich zu früh erschienen bin, dass ich Eure Geilheit, nicht aber Eure Klugheit gerettet habe!«
»Ihr seid ein Teufel, Hunyadi«, rief Alexios erblasst aus und verließ das Zimmer.
Blicklos lief er die Gasse entlang, die von zweistöckigen, schmalen Häusern, in denen Hofbeamte, Händler und Handwerker lebten, gesäumt wurde. Dann bog er in die nächste Straße ein, passierte schließlich das Stadttor und stieg die Böschung hinab zum Ufer der Donau. Dort ließ er sich nieder. Er hatte sich den Ort nicht ausgesucht, sondern sich einfach treiben lassen. Claras Tod und seine Misshandlung sollte er einfach hinnehmen, den Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft ziehen, im Gegenteil, ihn auch noch hofieren! Darauf liefen Hunyadis Ratschläge hinaus. Das ging ihm wider die Natur.
Doch nicht eines von Hunyadis Argumenten ließ sich entkräften. Wollte Alexios die Türken besiegen, brauchte er in der Tat Sigismund dazu. Nichts war ihm gewisser, als dass der Weg zum Wiederaufstieg des Reiches der Rhomäer über die Unterwerfung und Vertreibung der Türken führen würde. Sie wären nicht die Ersten, die aus dem Inneren Asiens gekommen waren, das
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