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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Herz. Was er sich damals im Hause Jakub Alhambras vorgenommen hatte, war ihm gelungen: Er hatte eine ebenso große wie wunderbare Familie. Der Blick des stolzen Vaters wanderte von dem kleinen Jakub in der Wiege zu Anna, zu Theodora, die zu einer wahren Schönheit erblüht war, zu Mitri, einem pubertierenden Jungen mit ein paar Sommersprossen zu viel, und schließlich zu dem zehnjährigen Nikolaos, der die Familie durch seine Streiche in Atem hielt, aber auch sein Bruder Demetrios gehörte ja zu seiner Familie und die Eltern Nikephoros und Thekla. Eirene wirkte wie häufig in letzter Zeit nachdenklich. Er wusste nur zu gut, welche Zweifel hinter ihrer hohen Stirn arbeiteten, und es verdross ihn. Schließlich trug er eine schwere Last, und ausgerechnet jetzt half ihm seine Frau nicht, sondern verdoppelte das Gewicht durch ihre Skepsis, ihre Fragen, die halbausgesprochenen Vorwürfe.
    »Sollte Eirene noch einmal schwanger werden, dann brauchen wir einen neuen Tisch«, scherzte der alte Seeräuber.
    »Nikephoros!«, wies ihn Thekla zurecht, die sich in letzter Zeit einen gouvernantenhaften Ton ihrem Mann gegenüber angewöhnt hatte.
    »Stimmt doch«, beharrte der beleidigt. Um gleich darauf schelmisch zu fragen: »Wollt ihr? Einen neuen Tisch kaufen, meine ich?« Er kniff das linke Auge zu, um seinen Sohn mit dem rechten umso genauer beobachten zu können, und schlug mit der Hand leicht auf den Tisch.
    »So wie es Gott will«, antwortete Loukas ausweichend.
    »Schieb nicht wieder Gott vor, Loukas Notaras«, fuhr Eirene ihn unerwartet heftig an.
    »Mama!«, empörte sich Anna.
    »Dein Vater spielt Gott, dann soll er auch seine Verantwortung übernehmen.«
    »Was denkst du eigentlich, was ich tue? Ich arbeite von früh bis spät für die Familie«, entgegnete Loukas gereizt.
    »Nicht bei Tisch«, flehte Thekla und schaute dabei mit großen bettelnden Kinderaugen von ihrem Sohn zu ihrer Schwiegertochter und wieder zurück.
    »Ist das auch wirklich gut für die Familie und für die Stadt?« Eirene ließ nicht locker.
    »Mama hat recht, nicht bei Tisch«, sagte Loukas hart, um das Gespräch zu beenden. Die wenige Zeit in der Familie wollte er Ruhe haben und sich nicht noch dafür rechtfertigen müssen, was er tat.
    Eirene stand auf. »Wann denn dann? Du weichst mir doch aus! Wann, Loukas?« Ihr gestraffter Körper, ihr unnahbarer Gesichtsausdruck drückten nur eine einzige Forderung aus. Aber er konnte keine Verunsicherung gebrauchen, er wusste ja selbst, an welchem Abgrund er balancierte. Die Kinder hatten aufgehört zu essen und schauten erschrocken zu ihrer Mutter. Selbst dem ewig Streiche ausheckenden Nikolaos fiel kein Spaß ein. In seiner Wiege begann das jüngste Kind der Familie zu weinen.
    »Jakub weint«, sagte Loukas vorwurfsvoll, als sei das Eirenes Schuld.
    »Er hört auch wieder auf! Wann, Loukas, wann redest du mit mir?« Der alte Hausdiener betrat den Raum, ging auf Loukas zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Großadmiral erhob sich und folgte seinem Domestiken. Eirene schüttelte den Kopf. »Da seht ihr’s! Er lässt mich einfach stehen, als wäre ich ein Bittsteller.« Sie zog die Augenbrauen hoch, ging zur Wiege und nahm Jakub heraus, den sie auf ihrem Arm wiegte und ein Lied vorsummte, um ihn zu beruhigen. So verließ sie das Speisezimmer.
    »Mama!«, rief ihr Theodora nach.
    »Sie könnte Papa wirklich mehr vertrauen«, sagte Anna. Die Missbilligung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
    »Darüber steht dir kein Urteil zu«, wies Thekla ihre Enkelin zurecht, bevor sie stöhnte und ein sehr geziertes »Unerquicklich das Ganze« vernehmen ließ. Triumphierend kehrte Loukas zurück. »Murad hat in Anatolien den Großkaraman besiegt! Und Wladislaw zieht sich mit seinem Heer nach Buda zurück. Sie haben zwar gesiegt, können sich aber in Serbien nicht halten. Kälte und Hunger setzen dem armseligen Heer zu. Nächstes Jahr werden sie einen Friedensvertrag aushandeln. Wie gut, dass wir uns nicht eingemischt haben. Wie gut! Wo ist eigentlich Eirene?«
    »Den Kleinen beruhigen«, antwortete Thekla diplomatisch. Ein dumpfer Knall erschreckte alle im Raum. Das weiße Haupt des alten Seeräubers lag auf dem Tisch, mitten auf dem Teller, von dem Olivenöl auf den Tisch gespritzt war. »Vater!«, rief Loukas.
    »Still, Kinder«, fuhr Demetrios seine Nichten und Neffen an, bevor sie noch einen Laut von sich geben konnten. Schnell waren Loukas und Demetrios bei dem alten Mann und hoben seinen Oberkörper und

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